Mittwoch, 23. Dezember 2009

Süd Salatonien - Band I - That's it!

Inhalt:

- Appetithappen
- Ein Weihnachtsmärchen aus Süd Salatonien (Kurzgeschichtenspecial zu Weihnachten!)
- Leseprobe (Kapitel 1-4 ; Rohfassung)

Appetithappen:


Viele Jahrtausende nach dem Untergang der Menschheit erhebt sich die nächste Evolutionsstufe intelligenten Lebens auf der Erde: Die Salatonier! In einer postapokalyptischen Welt der Unglaublichkeiten voller skurriler Kreaturen und unvorstellbarer Fabelwesen errichten sie auf den Ruinen des ersten Lebens ihre florierende Zivilisation. Doch zu Beginn der Ereignisse herrscht Aufruhr im Reich Süd Salatonien: Die Ankunft des mystischen Propheten Nostradanuss und seine verhängnisvolle Prophezeiung vom Ende der Welt veranlassen den Kaiser der vier Zentralreiche, alle Helden des Kontinents auf die Suche nach der Höhle des Schicksals zu entsenden... Zu dumm nur, dass bereits wenige Tage nach Erhalt der Botschaft sämtliche Recken des Landes bei sonderbaren Unfällen ums Leben kommen.

Die letzte Hoffnung Süd Salatoniens scheinen nun ausgerechnet der melancholisch-depressive, zynisch-sarkastische Choleriker und Hobby-Sadist Pein Eppel und sein ebenso erfolgloser wie idealistischer Begleiter und selbsternannter Leibwächter Starvarius zu sein. Nachdem die Botschaft des Kaisers durch Zufall in ihre Hände fällt, machen die beiden, der eine mehr, der andere weniger freiwillig, die Rettung der Welt zu ihrer neuen Aufgabe.

Stets unter Beobachtung der wachsamen Kampfnickeule und hauptberuflichem Geschichtenerzähler Schiel entfaltet sich auf ihrer Reise vor den beiden Protagonisten von attraktiven Wortwalen und lichtspeichernden Spiegeligeln, über lodernde Flammingos und die verdrehte Flexdexe bis zum Gott des Wahnsinns und dem Schicksaal persönlich das geballte Spektrum einer an Absurdität und Abwechslungsreichtum so nie dagewesenen Fantasywelt.

Doch schnell müssen die beiden Möchtegern-Helden feststellen, dass ihre facettenreiche Welt ebenso düster und gefährlich wie quietschbunt ist und politische Auseinandersetzungen, religiöse Differenzen und moralisch-philosophische Konflikte auf der Schattenseite der Medaille an der Tagesordnung stehen. Schritt für Schritt versinken sie tiefer in einer umfassenden Verschwörung und entdecken das Ausmaß einer der größten Bedrohungen, mit der sich Süd Salatonien je konfrontiert sah. Wer ist für den Tod der strahlenden Helden verantwortlich? Was hat es mit dem Schicksaal wirklich auf sich und... was ist eigentlich mit Nord Salatonien?


Autor: Jan Michalsky
Verlag: Zaria Prophetia
Erscheinungsdatum: Februar 2010
ISBN-10: 394151105X
ISBN-13: 978-3941511057


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Montag, 7. Dezember 2009

Ein Weihnachtsmärchen aus Süd Salatonien - Das besondere Weihnachtsgeschenk

Es war einmal vor vielen Jahren in einem beschaulichen Dörfchen am Rande des Schwanensees, da unterlief dem Magier Vilniuss ein so unglaubliches Missgeschick, dass die Leute noch heute staunend Raunen, wenn man seine Geschichte erzählt. „Was macht der da, Mama?“ fragte ein kleiner Karotenerjunge und deutete aus dem Fenster seines Zimmers auf den Turm, der schon lange vor der Entstehung des Dorfes auf den Wiesen am See stand. In unregelmäßigen Abständen knisterte und knallte es und bunte Farbfontänen sprühten aus den Dachfenstern in alle Richtungen in den Nachthimmel. Ängstlich zogen sich zwei Zimtschnecken in ihre Gehäuse zurück und eine Trampolintulpe suchte hopsend in einem Busch Unterschlupf.

„Geh wieder ins Bett Julius!“ keifte seine Mutter und gehorsam sprang die kleine Karotte auf und schlüpfte unter die Decke. Mit Nachthemd und Kerze in der Hand, schritt sie zum Fenster und beugte sich noch einmal heraus, anstatt die hölzernen Läden gleich zu schließen. Es knallte ein weiteres Mal und blaues Licht floss wie Wasser aus allen Fenstern, ergoss sich über das Feld und versickerte im Erdboden... drei weitere Tage leuchtendes Trinkwasser. Die Frau neigte sich weiter vor und warf einen Blick herab auf das Kopfsteinpflaster, wo eine Stadtwache mit dem Stiefel über den Boden schlurfte. „Solltet ihr nicht etwas gegen dieses Teufelswerk unternehmen?“ Der Wachmann bohrte in aller Seelenruhe in der Nase, wischte das Gefundene an seinem Wams ab und blickte schulterzuckend zum Fenster des Fachwerkhauses hinauf. „Ist doch nur Vilniuss. Der tut keinem was.“ Die Karotenerin schnaubte noch einmal verächtlich und schlug die Läden zu. Brummend rückte der Soldat den Eisenhelm zurecht und widmete sich wieder der Straße.

Unterdessen hustete Vilniuss einen weiteren Schwall Meteoritenstaub in sein Kämmerlein und versuchte sich die Reste des flüssigen Lichts aus dem wallenden Gewand zu schütteln. „Kuscheleichenborke war es also nicht...“ murmelte der zerstreute Magier zu sich selbst und bereitete eine neue Phiole vor. Während Alchemie im technologischen Gurkan belächelt und im religiösen Nabanees verfolgt wurde, genossen die Tränkemischer der unabhängigen Magier e.V. in Karotonien ein recht hohes Ansehen. Vilniuss griff ins Regal und schob ein paar Gläser und Fläschchen bei Seite, bevor er einen von vielen Lederbeuteln ans Mondlicht zerrte. Er sah genau aus, wie die anderen fünf neben ihm. Keiner vermochte zu sagen, wie ein Magier erahnen konnte, was sich tatsächlich darin befand. Doch bei der hohen Anzahl an Unfällen wussten sie das vielleicht auch gar nicht.

Das Glasröhrchen blubberte und schäumte, als die gealterte Erdnuss das klumpige Pulver in die Flüssigkeit bröselte. Behutsam nahm er es zwischen zwei Finger. „Ganz vorsichtig...“ er hielt sich die Phiole dicht vor die Augen und schüttelte sie in sanften Kreisbewegungen. Ein überraschender Knall! „Verdammt!“ fauchte der Zauberer, als ein KnickKnack-Vogel gegen die Scheibe des Dachfensters flog und ihm vor Schreck der Trank aus den Fingern glitt. Eine eher unspektakuläre Rauchwolke entwich dem zerspringenden Gläschen und für einen Augenblick wischte sich Vilnius erleichtert über die Stirn. Vielleicht würde ja diese Mal... zu früh gefreut.

„Kihihi!“ kicherte der Chaosgnom und fegte mit einem einzigen Flügelschlag das halbe Handwerkszeug seines Beschwörers vom Holztisch. Chaosgnome waren nicht gefährlich. Sie brachten lediglich Unordnung dahin, wo sie auftauchten. Aber Unordnung in das Alchemielabor eines Magiers zu bringen, DAS war gefährlich. Während sich das Wesen aus einer anderen Dimension im Labor der Erdnuss austobte, griff diese nach ihrem Besen und versuchte verzweifelt den Eindringling aus dem Dachfenster zu schubsen. Man mag schmunzeln über die Tatsache, dass nicht der verrückte Gnom das entscheidende Missgeschick auslöste, sondern Vilniuss selbst. Bei einem ungünstigen Streich fegte er eine Reihe Zutaten von seinem Regal, die sich auf dem Boden freudig blubbernd, knisternd und quietschend miteinander vermischten. Hierbei vermengten sich schlussendlich auch die kristallisierten Sonnenstrahlen mit dem Glühwürmchenextrakt. Eine ordnungsliebende Forscherin aus Gurkan hätte darüber nur belächelnd den Kopf geschüttelt, diese Ingredienzien nebeneinander im Regal aufzubewahren, doch Erdnüsse waren da... risikofreudiger.

In dem Moment wo Kristalle und Extrakt miteinander reagierten, erzeugten sie einen Lichtblitz, der alles übertraf, was jemals von einer lebenden Kreatur erblickt wurde. Das Licht, das vom Magierturm über ganz Süd Salatonien und bis in den Himmel hinaus strahlte, war so unvorstellbar grell, dass die drei Sonnen selbst für den winzigen Augenblick einer kosmischen Sekunde ihren Blick abwenden mussten. Zeit war jedoch ein trickreicher Geselle und was für eine Sonne nur eine Sekunde war, währte auf der Erde ganze drei Monate. So geschah es also, dass im immerwarmen Süd Salatonien zum ersten Mal seit der großen Zerstoßung der Winter einkehrte und die watteweißen Wolken das ganze Land vor Freude von oben bis unten mit Schnee bedeckten. Was aus dem Magier und seinem Chaosgnom wurde... das war für diese Geschichte nicht mehr wichtig.

Was für diese Geschichte wichtig war, spielte sich viele Kilometer südlich der Zentralreiche im friedlichen Weite Flur ab. Hier stand der kugelrunde Cucurbit Klaus vor der Tür seiner unscheinbaren Holzhütte, ließ den Schnee auf seine ledrige Haut sinken und breitete begrüßend die Arme aus. „Ho Ho Ho!“ Der Kürbis wollte vor Freude lachen, hatte aber den Mund vom Abendessen noch gefüllt und brachte nur Ho's statt Ha's hervor. Die Tür der Hütte öffnete sich erneut und aus dem warmen Licht trat eine Tomate mit Dreitagesbart und schlichtem Schäfermantel neben seinen Mitbewohner. Er richtete seinen Blick in den Himmel, staunte, als hätte er den Schnee gerade erst bemerkt und senkte das Haupt, um lachend den Kopf zu schütteln. „48 Jahre... und ich hab' schon angefangen, dich für verrückt zu halten...“ Der Cucurbit hielt die Hand auf, wartete bis sich einige Schneeflocken darauf gesammelt hatten und ließ sie wieder herabrieseln. „Ich hab' dir gesagt der Tag kommt.“ Niko, der Tomatole, nickte wortlos und schlenderte den Hang des Hügels, auf dem die Hütte stand, zu einem kleinen Schuppen im Tal hinab. „Ich hol' den Schlitten...“ rief er während er durch den schon knietiefen Schnee stapfte.

Klaus genoss den Moment noch für ein paar Atemzüge und schritt durch die offene Tür zurück in seine Hütte. Vom Speisesaal aus führten genau fünf Türen in andere Zimmer. Die vier Türen zu den Schlafkammern von Niko und Klaus, zur Küche und zum Bad wurden wie alle anderen mehr oder weniger regelmäßig benutzt. Die fünfte jedoch wurde so selten geöffnet, dass sich Staub auf der Klinke gesammelt hatte. Doch nun war der Tag da. Der Kürbis öffnete die Tür und trat in die dunkle Kammer dahinter. Der Raum war fast leer bis auf einen Holzschemel in der Ecke und einen Kleiderschrank gegenüber der Tür. Knarrend öffneten sich die alten Schranktüren seit Jahrzehnten zum ersten Mal und gaben ein verstaubtes Kostüm frei. Eine dunkelrote Hose mit weißer Krempe, ein gleichfarbiger Mantel mit weißem Kragen und eine Mütze mit Bommel. Dazu ein künstlicher Rauschebart aus Scharfswolle. Bevor er sich ankleidete, griff Klaus nach einem ungewöhnlich riesigen Bilderbuch, das auf dem Holzschemel lag. Als er es aufschlug, waren die Bilder kaum noch zu erkennen. Man konnte nur raten, doch man lag nicht falsch, wenn man es auf viele tausend Jahre schätzte. Es gab nicht mehr viel her, doch mit etwas Fantasie, konnte man daraus den Mythos eines alten Mannes entziffern, der bei Schnee und Eis in einem Schlitten durch die Welt zog und Geschenke an die braven Kinder verteilte. Heute wurde ein Mythos wiedergeboren.

Niko fühlte sich in seinem grünen Wichtelkostüm scheinbar weniger wohl, als er den Schlitten aus dem Schuppen den Hügel hinaufzerrte, wo Klaus in voller Montur durch ein dickes Buch voller Namen blätterte. Neben den zahmen Scharfen weideten auf den Wiesen vor ihrer Hütte auch neun Reh-ähnliche Krehe. Während Niko versuchte eben diese neun Wesen dazu zu bewegen, sich in den Schlitten spannen zu lassen, zerrte Klaus Sack um Sack aus dem inneren der Hütte und belud damit den geräumigen Mehrtürerschlitten. „Wird das nicht ewig dauern?“ fragte die Tomate und rappelte sich aus dem Schnee wieder auf, als ihm das sechste Kreh eine Kopfnuss verpasst hatte. „Nicht mehr als einen Monat.“ Niko stöhnte und setzte dem sechsten Kreh ein selbstgebasteltes Geweih auf den Kopf. Widerwillig versuchte das Zugtier es abzuschütteln, scheitert jedoch und gab es nach ein paar Minuten wie die anderen auf.

Eine gute Stunde nach Wintereinbruch waren Niko und Klaus zum Aufbruch bereit. Die neun Krehe waren vor den Schlitten gespannt, die Geschenke bereit und der bärtige Cucurbit mehr als motiviert. Der Tomatole öffnete seine Tasche und holte eine kleine Flasche hervor. „Ich brauche nicht zu erwähnen, dass das hier vermutlich nicht funktionieren wird.“ Klaus lachte nur auf. Skeptisch beugte sich der Möchtegernwichtel vor und goss die Ampulle gleichmäßig über die neun Tiere. „Dann hoffen wir mal, dass uns diese Waldweintraube da keinen Hokuspokus verkauft hat.“ murmelte Niko und steckte das leere Fläschchen zurück in den Lederbeutel. Der Kürbis nickte motiviert und ergriff die Zügel. Ein weiteres Wunder brachte die Glaubwürdigkeit Süd Salatoniens ins Wanken, als die neun Krehe den Boden unter den Füßen verloren und hektisch in der Luft strampelten. Sie flogen tatsächlich! Anders als erwartet, tat dies der Schlitten nicht. Die neun Tiere besaßen nicht die Kraft, das Fahrzeug in die Luft zu bringen und so strampelten sie engagiert schwebend über die Wiesen, während der Schlitten eine tiefe Furche ziehend hinterher geschleift wurde.

Glücklicherweise fehlte im Bilderbuch des Kürbisses der Teil, wie der Weihnachtsmann die Häuser betrat. Es wäre ein wahrlich schweres Unterfangen gewesen, wenn der Cucurbit tatsächlich versucht hätte, sich durch die salatonischen Schornsteine zu zwängen. So reisten der Kürbis und die Tomate in ihrem nicht flugfähigen Schlitten Tag für Tag von Haus zu Haus, klopften, sangen Lieder und beschenkten die zahlreichen Kinder der verschiedenen Völker. Sie zogen durch die weiten Wiesen von Nabanees und häuften ganze Geschenkberge vor den großen Kirchen der Bananen auf, hinterließen ein paar Rüstungsteile bei den tapferen Kokosnussrittern vom Schwanensee, schenkten jedem Einwohner Tomatoliens in ihrem Sinne das gleiche Geschenk und brachten sogar technische Spielereien zu den Gurkanern in ihrer riesigen Großstadt. Als Letztes besuchten sie noch Karotonien. Vilniuss schmunzelte über beide rußverschmierten Wangen, als er das Geschenkpaket mit einem brandneuen Satz Reagenzgläsern öffnete.

Nach schweißtreibenden 24 Tagen hatten Niko und Klaus auch die letzte Frucht in den Zentralreichen beschenkt und kehrten müde aber glücklich ins heimische Weite Flur zurück. Die Krehe flogen vergnügt von dannen, als der Wichtel ihr Zaumzeug löste und mit schweren Schritten torkelte der Cucurbit in die warme Hütte. Ächzend sackte er in seinem Sessel zusammen und ließ seinen Blick über den Esstisch wandern, der immer noch so gedeckt war, wie vor 24 Tagen. Auf dem Tisch stand eine Flasche köstlicher Rotwein. Noch ungeöffnet. Klaus wartete bis sein Helfer in die Hütte stapfte, die Holztür hinter sich schloss und im Sessel neben ihm seufzend platz nahm. Grinsend reichte ihm der kugelige Kürbis ein Gläschen und füllte es mit Wein. Während Klaus das Glas vor sich schwenkte und den rötlichen Inhalt betrachtete, dachte er an die Ereignisse der letzten 24 Tage und freute sich darüber, den Einwohnern Süd Salatoniens eine Freude gemacht zu haben. Da hatte er es sich verdient, die harte Arbeit mit einem Gläschen Wein abzuschließen... oder zwei... in dieser besinnlichen Weinnacht.

Süd Salatonien - Leseprobe (Kapitel 1 - 4)

Akt I (Rohfassung)
Kapitel 1


„Wieselflink huscht eine unscheinbare Gestalt durch die fetzenartige Wolkendecke und flattert dabei wie verrückt mit den deutlich zu kurz geratenen Stummelflügeln. Der kugelrunde Körper ist mit einem dichten Federkleid bedeckt aus dem nur der gelbe Schnabel und die riesigen runden Glubschaugen herausgucken. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass es sich bei der sonderbaren Figur im Mittelpunkt unserer Geschichte um Schiel vom Volk der Kampfnickeulen handelt. Der Name vermag in die Irre zu führen, hat sie doch nur ansatzweise etwas mit einer Eule gemeinsam. Ihr Körper ist mit dem Kopf zu einer Kugel verschmolzen aus dem die typischen Vogelbeine gucken. Dies macht sie zum Kämpfen zu dick und zum Nicken zu plump. Der Kurs des aufgeweckten Wesens ist nicht klar zu erkennen, denn sie rast über den Schwanensee und die prächtigen Großreiche im Zentralland hinweg, gleitet über die kargen Ödlande und streift bei ihrer rasanten Reise über die Wüstenregion von Wasweißich knapp den Schnackerwald.



Noch ehe sie die vom Krieg gebeutelten Appellien im Süden erreicht, stoppt Schiel mitten im Flug abrupt ab, harrt unabhängig von den Gesetzen der Schwerkraft in der Luft aus und schmettert dann im rechten Winkel zu ihrer Flugbahn Richtung Erdboden. Wie ein Stein saust das Federvieh immer schneller dem sicheren Tod entgegen und beginnt erst wenige Meter, bevor sie ungehindert als unbedeutender Fleck auf den Wiesen der Weiten Flur in diese Geschichte eingeht, wieder mit den Flügeln zu schlagen. Einem Flummi gleich ditscht sie im saftigen Gras auf, verändert dabei kurzzeitig ihre Form zu einem platten Fladen, um wenige Momente später wieder nach oben zu federn. Mit jedem Aufprall verringert sich ihre Sprunghöhe ein wenig, bis sie schlussendlich auf den kurzen Beinen zum stehen kommt und nach einer raschen Phase des Ausvibrierens regungslos im Gras steht.


„Dann mal Ratz Fatz an die Arbeit!“ Befiehlt sich die merkwürdige Federkugel selbst und beginnt sich mit hüpfenden Bewegungen grazil durch das Gras zu arbeiten. Nach ein paar Sprüngen bleibt sie auf der Stelle stehen, dreht ihren Kopf um 90° Richtung Boden und geht in die Knie bis ihr Schnabel diesen erreicht. Während es ein Huhn beim Aufpicken von Körnern wesentlich leichter hat, ist dies die kreative Anpassung der Kampfnickeulen an ihren benachteiligten Körperbau. Sicher kein Vorteil der Evolution, doch die Gesetze der natürlichen Entwicklung gelten nicht für Süd Salatonien... nicht mehr. Nach diesem Muster durchkämmt Schiel systematisch die riesige Wiese um ihren Landeplatz.


Umrisse eines Schattens zeichnen sich auf dem Boden ab, als sich eine seltsame Gestalt aus der gleichbleibend schleierartigen Wolkendecke wühlt und majestätisch näher an die durchweg beschäftigte Kampfnickeule herangleitet. Ein nerviges Krächzen stört die himmlische Ruhe und erweckt kurzzeitig die Aufmerksamkeit des Suchenden, ohne dass dieser seine Arbeit zu unterbrechen wagt. Ein ca. 1,20 menschliche Meter großer Vogel setzt direkt neben der wesentlich kleineren Eule auf und rückt mit dem Flügel den etwas zu groß geratenen Zylinder mit rotem Streifen zurecht. Rotschleifen Schjchu Schjchus leben eigentlich vorwiegend im Nordosten, doch treiben sie Geschäftsreisen von Zeit zu Zeit in ferne Lande. Wie jeder seiner Art trägt er den wohl gepflegten schwarzen Frack mit weißem Hemd und einer schwarzen Fliege. Sein Gefieder ist königsblau, die Füße gelb und ebenso der Schnabel. Die gefiederten Giganten verteidigen seit Jahrhunderten in der Welt ihren Ruf als kompetente Hotelfachvögel und werden von allen Zivilisationen – Citorras und Cucurbiten aus gutem Grunde ausgenommen – vielerorts gelobt.


„Suchen Sie etwas bestimmtes? Ich wäre gerne bereit zu helfen.“ Fragt der Schjchu Schjchu und hüpft Schiel mit einer gewissen Anhänglichkeit hinterher. Die Kampfnickeule schüttelt wortlos den Kopf und sucht mit äußerster Präzision weiter. „Sie sind eine dieser Kampfnickeulen, nicht wahr?“ Die Betonung des Wortes „Kampfnickeule“ geht dem Vogel so beschwerlich über den Schnabel, dass nicht zu erkennen ist, ob diesem das Wort schlicht nicht geläufig ist, oder das betonen der einzelnen Silben tatsächlich eine gewisse Abfälligkeit in sich trägt. „Bin ich. Und beschäftigt bin ich auch.“ Grummelt der kleine Federball genervt und versucht mit zickzackartigen Hüpfbewegungen den Störenfried abzuwimmeln. Ungehindert pickt sie wieder und wieder mit dem Schnabel in den leicht feuchten Untergrund. Sie versucht dem Geschäftsvogel nicht in die Augen zu blicken, saß man nach so einem Gespräch doch im Handumdrehen mit drei unbezahlbaren Immobilienverträgen da. „Ich sah euch gerade und habe mich gefragt, ob es stimmt, was man über euer Völkchen sagt.“ Keine Antwort folgt von der kleinen Gestalt. Ein Fehler. Verleitet es doch den neugierigen Besucher zum Ausprobieren. „Zeigt doch mal!“ Schlagartig weiten sich panisch die Augen der Eule und mit unartikulierten Lauten versucht sie das Schlimmste zu vermeiden... zu spät. Mit seinem spitzen Schnabel pufft der blaue Vogel der überraschten Eule in die Seite. Ein Pusten, ein schrilles Pfeifen, aufs dreifache bläht sich der pummelige Eulenkörper auf - dann ein Knall. Eine peinliche Stille herrscht auf der Wiese während ein laues Lüftchen über die zarten Halme hinweg streicht. Im Umkreis von einigen Metern regnet es zahlreiche Eulenfedern und ein entblößter, pummliger Körper bleibt zurück. Verdutzt steht der Rotschleifen Schjchu Schjchu vor der kleinen Eule und schaut regungslos auf sein Werk. Schiels Ausdruck selbst ist wie versteinert und ihre Augen blicken mit einer Mischung aus Entsetzen, Scham, Wut und Depression in die Ferne. „Oh... eh... so spät schon? Wie die Zeit doch vergeht. Die Arbeit ruft! Lebt wohl und... viel Erfolg.“ Schon erhebt sich der Hotelfachvogel mit wenigen Flügelschlägen in die Lüfte, um so schnell wie möglich außer Sichtweite seines Opfers zu gelangen.


In raschem Tempo versinkt auch die dritte Sonne Süd Salatoniens hinter dem Horizont und noch immer steht Schiel gleichgültig und genervt, völlig ohne Bewegung auf weitem Feld und harrt aus. Nach nicht einmal 10 Minuten ist das Federkleid der Kampfnickeule fast vollständig nachgewachsen und als auch die letzte nackte Stelle bedeckt ist, beginnt sich das Knäuel wieder zu rühren und seine Suche fortzusetzen. Nicht, weil sie nicht früher gewollt hätte, sie konnte nicht. Ein klarer biologischer Nachteil. Auf einmal erklingt ein gellender Schrei. „Bei den taufrischen Wiesen hinter den Spitzbergen, da ist ES!“ Wild hüpft Schiel enthusiastisch im Kreis, wobei sich der obere Teil ihres Kopfes, der Teil, der die Augen trägt, nicht rührt. Dadurch beginnt sich der Körper der Eule langsam wie ein nasses Handtuch aufzuzwirbeln. Nach mehreren Umdrehungen halten die Füße still und blitzartig dreht sich der Kopf in die Ausgangsposition zurück. Erneut sticht der kleine Schnabel Schiels in den Erdboden und kommt wenig später mit einem roten Faden wieder zum Vorschein. Freudig auf- und abhüpfend verfolgt sie die Schnur über die halbe Wiese bis diese schlussendlich an einer Stelle im Erdboden verschwindet. Der Faden scheint hier an einer Art Eisenring befestigt zu sein. Flink schnappt sich der Schnabel der Kampfnickeule den Ring und beginnt mit aller Kraft daran zu zerren, bis eine Art Stöpsel aus dem Boden herausrutscht. Der darunterliegende Gang ist nicht einmal eine menschliche Faust breit und eigentlich viel zu dünn für den kugeligen Eulenkörper. Nichts desto Trotz flattert Schiel ein Stück in die Höhe, hält die Luft an und saust in die schmale Öffnung. Wild strampelnd beginnt sie sich durch den Tunnel zu zwängen und ihren flexiblen Körper nach allen Regeln der Kunst zu verformen.


Mit dem Geräusch eines frisch entkorkten Weines flutscht der sonderbare Vogel auf der anderen Seite in die geräumige Eingangshöhle eines größeren, unterirdischen Komplexes. Als sich die Augen des in der Regel nacht-aktiven Tieres an die Dunkelheit gewöhnen, taucht aus den Schatten der Unterwelt die Festung der Einsamkeit auf und erstreckt sich vor dem kleinen Federball in ihrer beeindruckenden Trostlosigkeit. Zu selten schaffte es ein Wesen diesen verborgenen Ort zu finden. So selten, dass dies zu einer Einsamkeit führte, die nur einen von vielen guten Gründen für die Trauer und Depression der Bewohner dieses unterirdischen Reiches liefert. Schon jetzt dringen deutlich die wehklagenden Schreie und das jammernde Gewimmer der Potatori an die Ohren der Kampfnickeule. Kaum zu glauben wie ein ganzes Volk ihre gesamte Existenz der Trauer verschreiben kann, denkt sich Schiel als sie an tropfenden Stalaktiten vorbei durch die Unterwelt flattert.


Unweit des kleinen Loches, durch das sie gekommen war, stehen zwei Potatori, deren Gestalt unweigerlich den Vergleich mit Kartoffeln anbietet und die, dies sei im Vertrauen gesagt, angeblich auch so schmecken, und blicken auf den immer schmaler werdenden Schein des Lichtes, der durch den sich schließenden Tunnel dringt. „Dieses Dasein, diese Schmach! Erlöse mich oh heiliger Schein! Erlöse mich!“ Schreit die Eine vor Verzweiflung in die ewige Nacht hinaus und rennt auf den Lichtstrahl zu. „Nicht! Dich erwartet das Schicksal der Gebrannten!“, Ertönt noch der verzweifelte Versuch der zweiten hinterher. Doch ihre Warnung bleibt unbeachtet, als sich die erste mit einem Satz in die glänzende Sonne wirft. Schon zeigen sich die Konsequenzen ihres unüberlegten Handelns. Beim Kontakt mit den grellen Strahlen verpufft die Kartoffel ohne Umwege in einem qualvollen Schrei zu einer stinkenden Aschewolke. Der andere Potatoru sinkt wie der Rest der Anwesenden in ihre kniende Ausgangsposition zu Boden und widmet sich erneut ihrem Gejammer, mit welchem sie in den Chor der Wehleidigen einstimmt. Unbeeindruckt, doch mit unbehaglichem Bauchgefühl passiert Schiel währenddessen die Tore der Festung.



Selbst die riesigen Pforten scheinen ein klagendes Gewimmer von sich zu geben, als sie Schiel den Weg in das Innere der finsteren Hallen eröffnen. Nur die Flügelschläge der Kampfnickeule erfüllen die gewundenen und verschachtelten Gänge mit Klang, in denen sich kaum ein Wesen befindet und erst recht keines spricht oder gar singt. Die Architektur des Gebäudes selbst scheint die Manifestation der Trauer darzustellen. Klagende Seelen und Bilder leidender Stammesbrüder zieren die solide verarbeiteten Wände und tränenförmige Gebilde aus Stein hängen aus der Decke in die gähnende Leere hinab. Die Feuchtigkeit der weit verzweigten Tunnel sammelt sich an diesen und tropft die Steinformationen hinab, so dass es beinahe den Anschein macht, die Festung selbst würde über ihr frustrierendes Dasein weinen. Unbehagen erfüllt den kleinen Federball, dessen Größe hier noch unscheinbarer wirkt und für einen Augenblick erwägt sie, doch noch den Rückzug anzutreten. Doch die Ereignisse drängen, denn Süd Salatonien sieht sich der größten Bedrohung aller Zeiten gegenüber und nur in den verborgenen Tiefen dieser Festung konnte noch Rat gefunden werden. So schluckt das puschelige Wesen mutig seine Ängste und Zweifel unter einem hörbaren Glucksen herunter und flattert wacker durch die Finsternis.


Die Gänge zeigen langsam aber sicher ein Ziel an und zwischen zahlreichen Säulen zeichnet sich in der Ferne andeutungsweise ein schwacher Schimmer ab. Zielstrebig saust Schiel durch die Stille dem Lichte nach. Zwar nimmt das zaghafte Scheinen mehr und mehr zu, doch lässt die Dunkelheit es von weitem deutlich größer erscheinen, als es tatsächlich ist. Zweifelsfrei ist die Quelle dieses Schimmerns nur ein sehr schwaches Licht, wirkt aber im Vergleich zur absoluten Finsternis um es herum wie eine kleine Sonne. Die finsteren Tunnel weiten sich und auf gähnende Leere folgt... weitere gähnende Leere. Den ausufernden Gängen folgend schließt sich eine Halle scheinbarer, vielleicht auch tatsächlich unendlicher Größe an. Augenblicke lang hält Schiel inne und zeigt sich von dem ihr dargebotenen Phänomen so beeindruckt wie erschrocken. Die Luft ist so angereichert mit Feuchtigkeit, dass es unentwegt mitten im Saal regnet. Während die Tunnel mit ihren hin und wieder herabfallenden Tropfen einen bedrückenden, vielleicht auch schwermütigen Eindruck hinterlassen hatten, erfüllt einen diese Halle zweifelsohne mit reiner und tiefster Depression. Nicht zuletzt im Anbetracht der Gewissheit, dass die tränengleichen Regengüsse niemals versiegen. Die Bilder von Leid und Elend, die die Gänge verunstaltet hatten, setzen sich in erstaunlicher Vielfalt an den unzähligen Säulen um die Halle herum fort. Ebenso zeigen sie sich auf dem verzierten Untergrund. Jeglicher Zweifel in Schiels Gedanken ist verflogen. Nun scheint es eindeutig: Dies ist der legendäre Trübsaal in der Festung der Einsamkeit, Zentrum der Stadt der Trauer.


Inmitten dieses Ortes der Hoffnungslosigkeit jedoch scheint das winzige Licht, dessen Schein noch weit in die Gänge der Festung hinein reicht. Ein Licht, das beim Näherkommen nur von einer einzigen, winzigen Kerze ausgeht, die auf einem flachen, silbernen Teller mitten in der Halle steht. Diese Kerze ist jedoch nicht der eigentliche Blickfang des Trübsaals, sondern ein riesiger, imposanter Spiegel, der so unantastbar und majestätisch wie man es von Königen kennt inmitten des Saales thront. Doch nicht die Umgebung spiegelt sich in diesem wieder, sondern farbenprächtige Bilder: Bilder aus der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, begleitet von einer donnernden, gewaltigen Stimme:

Kapitel 2

Kapitel 2


[...]„Willkommen kleiner Freund. Das letzte Mal, dass ein Besucher in dieser Halle war, ist schon seeeehr lange her. Komm doch etwas näher und lass dich betrachten.“ Mit ihrem üblichen hoppelnden Gang, jedoch deutlich ehrfürchtiger, bewegt sich die, in der riesigen Halle nahezu verschwindend klein erscheinende, Kreatur den restlichen Weg in die Mitte des Saals und bekommt nun endlich die Gelegenheit dieses Wesen uralter Zeit aus der Nähe zu betrachten. Eingelassen in einen prunkvoll verzierten Rahmen dessen Herkunft und Material kein denkendes Wesen nur erahnen konnte, thront ein imposanter Spiegel im Mittelpunkt des Trübsaals. Das Glas der Scheibe ist trüb und wirkt wie ein Fenster in einen unbekannten von Nebel verhüllten Raum jenseits der bekannten Welt. An sich ließe sich an diesem Spiegel nichts Lebendiges erkennen, würde nicht diese ruhige und klar artikulierte Stimme hinter dem Glas mit der kleinen Eule sprechen. „Ich bin der Spiegel der Wahrheit, Artefakt aus uralter Zeit. Ich war da, als die Welt entstand und sah, wie sie wurde, bis mir das mächtige Götterbeben die Sicht für viele Jahrhunderte nahm und der Trübsaal meine neue Heimat wurde. Mit wem habe ich die Ehre kleiner Freund?“


Schiel zögert mit ihrer Antwort, da sie in tiefster Ehrfurcht erstarrt ist. Erst nach und nach beginnt sich der Schnabel der Kampfnickeule zu lösen und die ersten Worte hervorzubringen: „Mein Name ist Schiel, Erzählerkauz vom Stamm der Kampfnickeulen. Ich habe eine lange Reise hinter mir und suche Euch, oh ehrwürdiges Wesen auf, da Ihr nun die einzige Rettung für Süd Salatonien seid.“ Ein grübelndes Grummeln ertönte aus dem Nebel und lässt die Säulen des Trübsaals dumpf vibrieren. „Ja... Ich spüre große Dinge da draußen. Doch mein Blick ist getrübt. Ich kann alles zeigen was war, ist und wird... doch ich sehe nichts. Ich bekomme hier wie gesagt nicht oft Besuch also, was möchtest du wissen?“ Vorsichtig kommt der kleine Federball noch ein Stück näher an seinen imposanten Gesprächspartner heran und versucht in den undurchdringlichen Nebel zu blicken. [...]


In den Wolken hinter dem Spiegelglas zeichnet sich schemenhaft ein gastfreundliches Lächeln ab und weicht schimmernd einer schleierhaften Hand, welche die Kampfnickeule mit einer darbietenden Geste bittet, näher zu kommen. „Sprich frei und sprich wahr kleiner Freund. [...]. Warum genau suchst du mich auf?“ Schiel, die über die fesselnden Ausführungen des Spiegels für eine Weile ihren Beweggrund und dessen Dringlichkeit aus den Augen verloren hat, wird spontan zurück in die Gegenwart gerissen und beginnt nach mehrfachem nervösem Räuspern eine kleine Rede. Diese hatte sie schon seit einem guten Dutzend Flugstunden für diesen Anlass vorbereitet: „Wertes Artefakt vergessener Jahrtausende. Mein Name ist Schiel, Erzählerkauz vom Volk der Kampfnickeulen und ich bin hier, um euch demütig darum zu bitten, mir den Blick in die Zukunft zu gewähren.“ Der Spiegel lacht auf und seufzt zugleich. Dann zeichnet sich erneut der Umriss eines Gesichtes im schleierhaften Nebel ab, dass betrübt mit dem Kopf schüttelt. „Es tut mir leid kleiner Freund. Die Zukunft zu kennen ist ebenso ein Segen wie ein Fluch. Wer die Zukunft kennt, der kann sie verändern... der wird sie verändern. Und es ist nicht im Sinne des Schicksals, dass die Sterblichen in seine Geschicke eingreifen.“ Nervös trippelt die Federkugel auf der Stelle herum und wartet nur darauf, dass das Artefakt endlich ausspricht. „Ich bitte erneut um Verzeihung“ wirft sie mit angespannt zitternder Stimme ein „aber genau darum geht es... ich muss die Zukunft verändern, um das Schicksal, die Götter und ganz Süd Salatonien zu retten.“ Der Spiegel zieht hinter dem Schleier eine imaginäre Augenbraue nach oben. „Die Geschichte deiner Reise führt darauf hinaus, dass nur dein Blick in die Zukunft die Welt retten kann?“ Schiel fühlt sich verstanden und nickt eifrig. Für einen Augenblick brummt der Spiegel mit einer Mischung aus Interesse und Nachdenklichkeit. „Ihr Erzählerkäuze seid meisterhafte Geschichtenerzähler, richtig?“ Die Kampfnickeule versteht nicht so recht die Bedeutung dieser Frage, nickt aber dennoch selbstbewusst. „Ich mache dir einen Vorschlag. Erzähl mir deine Geschichte vom Beginn deiner Reise bis zu deiner Ankunft. Wenn ich erkennen kann, dass deine Rolle in dieser Welt wirklich so bedeutsam ist, werde ich dir deinen Wunsch gewähren.“ Schiel verschränkt die Flügel und legt mit einem herausfordernden Knacken den Kopf schief. Noch zwei Tage... das war zu schaffen. „Wenn das so ist, wäre es mir eine Ehre.“

Kapitel 3

Kapitel 3


Geduldig wartet der Spiegel während sich die wuselige Kampfnickeule auf eine scheinbar lange aber nicht minder aufregende Geschichte vorbereitet. Flink zupft sich Schiel einige der schnell nachwachsenden Federn aus dem pummeligen Körper und häuft diese unter sich zu einem kleinen Hügel an. Dabei versucht sie, mehr oder weniger erfolgreich, mit den Flügeln das selbst gebastelte Sitzkissen vor den Tränen des Trübsaals zu schützen. Diese unablässig herabfallenden Wassertropfen entfalten dabei für die kleine Eule einen ganz anderen frustrierenden Charakter. Nach einem kleinen Moment Pause hüpft die kleine Schiel blitzschnell in den Federhaufen und mummelt sich in die weiche Unterlage mit Blick zum magischen Spiegel der Wahrheit. Tief atmet der professionelle Geschichtenerzähler mehrfach stoßartig ein und aus und legt dabei die nicht ganz klar zu erkennende Stirn in tiefe Denkfalten. Dann erhebt sie endlich das Wort und beginnt mit ihrer wunderlichen Geschichte.


„Lasst mich euch von der Welt da draußen berichten, wie ich sie kenne. Merkwürdige Dinge gehen in der Welt vor sich. Dinge, an denen alle Völker von den Cucurbiten und Karotenen, über die Nabanen bis zu den Appelliaten alle Geschöpfe Süd Salatoniens beteiligt sind. Doch will ich mit meiner Geschichte dort anfangen, wo alles vor knapp 40 Tagen begann...


Schon als ich am Morgen dieses verhängnisvollen Sommertages auf meinem Baum erwachte, barg dieser mysteriöse Zeichen in sich. Es war erneut Blot Modin, der Tag an dem alle drei Sonnen zur gleichen Zeit in der Mittagsstunde am Himmel standen. Gerüchte über die Ankunft des Propheten Nostradanuss an der Westgrenze des Mittelreiches in Gurkan verbreiteten sich wie ein Lauffeuer in den Zentralreichen, so dass ich mich, neugierig wie ich seit jeher bin, auf den Weg zum Hofe Kaiser Gottliebs III machte. Die Karotenen führten in diesem Jahr den Vorsitz im Zentralrat der Vier.“ „Ja, die Karotenen spielten seit jeher eine große Rolle im Machtgefüge der Nationen.“ Warf der Spiegel seinen ergänzenden Kommentar in Schiels Geschichte ein. „Ähnlich den Bananen, gehörte auch das Volk der Karotten in der Entstehung der Welt zu den ersten Nationen, die vom Leben beseelt auf das Antlitz der Welt traten. Der erste unter ihnen war der berühmte und geliebte Kaiser Dietmar I und ihm folgten viele Brüder und Schwestern. Das Reich der Karotenen war reich an verschiedenen Landschaften und Bodenschätzen, jedoch schwer zu verwalten. So gab Kaiser Dietmar I in seiner Güte jedem seiner liebsten Brüder ein Stück Land und ernannte sie zu Fürsten. Mit der Zeit jedoch, als der glorreiche Kaiser verstorben war und die Thronfolge seines ältesten Sohnes nicht anerkannt wurde, zerstritten sich die Brüder und Schwestern und das Reich zerfiel in ein dezentralisiertes Splittergebiet aus zahlreichen Fürstentümern. Kämpfen die Fürstentümer noch heute gegeneinander um die Vormacht im Reich? Zu welchem Fürstentum gehört dieser Kaiser Gottlieb III?“


„…in den vielen Jahren die so vergangen sind waren die Fürstentümer geschwächt durch Krieg und Hunger und kaum eines war noch stark genug, sich allein in der Welt zu behaupten.“ Fügt die kleine Eule hinzu, während sie auf dem Federkissen hin und her rutscht, um die optimale Position für sich zu finden. „Aus der Asche dieses zerstörten Erbes Kaiser Dietmars I erhob sich Gottlieb III, ein Nachfahre aus der direkten Saftlinie Dietmars I, und bestieg den Thron des Fürstentums Groß Bereling. Die Fürsten erkannten in seiner Güte die Seele des längst verstorbenen Kaisers und priesen ihn in Ehren. So vereinte er die Teilgebiete zu einem großen Karotenenreich und wurde der neue Kaiser dieses blühenden Volkes. Inzwischen jedoch ist der Herrscher in die Jahre gekommen und das, ohne einen Sohn gezeugt zu haben. Die Karotenen bangten um ihr Reich und fürchteten sich vor einem erneuten Zerfall in Fürstentümer, doch... das sollte künftig kein Problem mehr darstellen.“ Auf Schiels Schweigen hin zeichnet sich ein deutliches, rotes Fragezeichen im Nebel des Spiegels ab. „Hierzu später mehr. Ich nehme sonst einen Großteil der Handlung vorweg.“ Der Prophet schlägt sich mit der imaginären Hand vor die imaginäre Stirn. Manchmal strapazierten die irrationalen Eigenarten der salatonischen Kreaturen seine rationale Geduld doch sehr. Doch er wollte sich nach 5000 Jahren nicht als schlechter Zuhörer entpuppen und lässt das Federvieh geduldig gewähren.


„Als ich mich gewaschen und geputzt hatte, dröhnten auch schon die Posaunen von den Wällen der kaiserlichen Festung über das Land und kündigten das Kommen des ungewöhnlichen Besuchers an. Die Anwesenheit einer Nuss in Süd Salatonien war seit jeher ein sehr seltenes Ereignis und so ließ ich das Frühstück ausfallen und begab mich unverzüglich, über die prächtigen Getreidefelder von Bereling hinweggleitend, zum Thronsaal. Auf dem Marktplatz verschärften sich die Gerüchte der letzten Tage, Nostradanuss sei mit üblen Neuigkeiten gekommen und nur der Kriegsrat der vier Reiche sei zu seiner Ankunft im Thronsaal geladen. Doch was wäre ich für ein Geschichtenerzähler, wenn ich diesem Ereignis fern geblieben wäre? Ein kleines Fenster, zur gering bewachten Seite der Mauer gewandt, war unachtsam offen gelassen worden und so drang ich heimlich durch das schillernde Mosaikfenster in die prachtvoll geschmückte Burg ein. In der Hektik des Augenblicks postierte ich mich unbemerkt auf einem schwach knarzenden Dachbalken über dem Thron, von dem aus ich gut sehen und noch besser hören konnte.


Bedrohlich quietschend schob sich das mächtige Burgtor in das Innere des Raumes vor und aus dem Schein der drei Sonnen trat der Prophet Nostradanuss in den schwach beleuchteten Thronsaal. In wallende weiße Gewänder gehüllt und durch einen langen grauen Bart gezeichnet, schlich der alte Mann vom Volk der Erdnüsse über den roten Teppich mit goldenen Rändern hinweg und verneigte sich ehrfürchtig vor Kaiser Gottlieb III, der ebenfalls von den Zeichen der Zeit angeschlagen, schwer atmend aber mit seinem stets gutmütigen Lächeln bekleidet, in seinem Thron saß. „Nostradanuss mein alter Freund! Wie lang mag das her sein?“ „Zwanzig...“ Nur röchelnd kam die Antwort aus dem Mund der Erdnuss, so dass diese sich erst ausgiebig räuspern musste. „Verzeihung. Zwanzig Jahre und vier Monate mein Herr. Auf den Tag genau.“ In Erinnerungen schwelgend nickte der große Kaiser, kam aber schnell zum Ernst der Lage zurück und sprach mit bestimmtem Unterton: „Jedoch sind wir nicht hier um alte Freundschaften zu pflegen. Die Boten berichteten, dass du Neuigkeiten von großer Wichtigkeit bringst. Was bedrückt dich alter Freund?“ Langsam wandte Nostradanuss dem weisen Herrscher den Rücken zu und schritt auf seinen gewundenen Stab gestützt in die Mitte des Thronsaales. Eine Handlung, die gewiss nicht jedem im Reich gestattet war. Mit einem Ruck wandte er sich herum und ein heftiger Wind schmetterte durch den Raum, riss Wandteppiche und Banner von ihren Verankerungen und ließ die langen Gewandungen des Propheten flattern. Den Stab hatte er weit von sich geschleudert und die Nuss bot einen verstörenden und beängstigenden Anblick, als sie sich in die Lüfte erhob. Eine von Donner und Blitzen begleitete Stimme, die selbst die mutigste Wache in Mark und Bein erschütterte, schmetterte durch die Halle:


Törichte Sterbliche

Hört meine Worte!

Es droht das Ende aller Tage!


Geht und schickt die tapfersten Helden,

Antworten in der Höhle des Schicksals zu finden.

Mut und Tapferkeit oder der Untergang droht

Es ist unvermeidlich!


„Du hast die Weißsagung eines Nusspropheten gehört?!“ Ist es lediglich Überraschung in der Stimme des Spiegels? Nein... da ist mehr. Angst? Vielleicht sogar Panik? „Nur wenige können von sich behaupten solche Worte vernommen zu haben. Die meisten ereilte zugleich ihr prophezeites Schicksal. Die Nüsse leben auf ihre eigene Entscheidung außerhalb der Zivilisation und wagen sich nur alle paar Jahrzehnte in die Zentralreiche, um wichtige Kund aus ihren Visionen zu verbreiten. Von ihren kamen nur Wenige von den Urbüschen herab und da sie es pflegen ihr Leben als Einsiedler zu verbringen, gibt es keine bekannten Dörfer in denen sich die Generationen fortsetzen. Doch diejenigen unter den Nüssen, die das Leben in der Einsamkeit gewählt hatten, erlangten dabei zuweilen erstaunliche philosophische und prophetische Kenntnisse. Manch einer behauptet, sie hätten ihre letzten Dörfer damals direkt an „den Rissen“ erbaut, die der Himmel bei seinem Sturz auf die Welt hinterlassen hatte und hätten ihre Weisheit direkt aus der magischen Kraft der Himmelsreste gezogen. Einige von ihnen sind vielleicht heute noch in eurer Welt bekannt wie zum Beispiel Nussferatu, Nostradanuss oder Konfuzinuss. Das Grün gewährt diesen asketisch lebenden Bewohnern der höchsten Gipfel und tiefsten Täler von Zeit zu Zeit Einblicke in seine Pläne und so traf schon manche Prophezeiung der Nüsse zu, wenn auch viele von ihnen dem Wahnsinn verfielen.“ Schiel nickt halbherzig. Wahnsinn und Weisheit befinden sich bei den Nüssen so dicht beieinander, dass wohl beides stets Hand in Hand geht.


„Als auch die letzte Silbe mit all ihrem Nachhall im Saal verklungen war, stürzte der Weise unsanft zu Boden. Sofort eilten zwei Wachen herbei, reichten ihm seinen stützenden Stab und halfen ihm wieder auf die Beine. Alle Anderen standen entsetzt in der Halle, die von Totenstille erfüllt war. Niemand wagte es für einen Moment auch nur ein einziges Wort über dieses ungeheuerliche Ereignis zu verlieren. Dann jedoch begann schlagartig panisches Diskutieren und ein wilder Streit zwischen den Gelehrten und Generälen der großen Reiche. Kaiser Gottlieb III saß nachdenklich in seinem Thron und gab kein Wort von sich, bis er schlussendlich mit einem einzigen Ausruf Einhalt gebot. „Sendet Botschaften aus!“ sprach der weise König als Ruhe im Raum eingekehrt war. „Berichtet den größten Helden aller Reiche von der Prophezeiung! Die Höhle muss gefunden und das Schicksal um Rat gefragt werden.“ Zustimmend untermalte der weise Nostradanuss den Befehl des Königs mit einem Nicken und öffnete eine unscheinbare ebenfalls weiße Tasche aus der er ein ganzes Bündel versiegelter Pergamente zog. „Ich hatte auf diese Entscheidung ihrer Majestät gehofft und diese Botschaften verfasst. Sie können sofort an die Helden entsandt werden.“ „Dann sei es so!“ tönte Gottlieb III zufrieden „Es ist höchste Eile geboten! Bemannt die Eilpostgeschütze!“ Das letzte Wort war schon nicht mehr zu verstehen, als unverzüglich die Weisen und Krieger aus der Halle des Karotenenherrschers strömten, um dessen Befehl nachzukommen. Das war es! Der Beginn einer großen Geschichte und ich hatte die freie Wahl. Alle Helden des Landes brachen auf die selbe, abenteuerliche Mission auf und ich würde einen von ihnen begleiten. Doch wen? Süd Salatonien hatte lange keinen Helden verschleißenden großen Krieg mehr gesehen und so bot sich eine reiche Menge an vielversprechenden Teilnehmern für meine nächste Geschichte an. Schlussendlich traf ich meine Wahl und machte mich auf den Weg zu einem der meiner bescheidenen Meinung nach vielversprechendsten Helden Süd Salatoniens: Tjal, der tollkühne Tomatole! So flog ich gen Süden...“


„Sonderbar...“ Unterbrach der Spiegel. „Vor dem Götterbeben, als mein Blick noch weit in die Welt gewandt war, lag Tomatolien noch im Norden der vier Zentralreiche. Ein interessantes Volk, wenn auch ihre Geschichte sehr schnell erzählt ist. Wie so viele der Urvölker des zweiten Lebens begannen die Tomaten ihr Imperium mit der Monarchie. Ein guter König von kräftigem Tomatenmark führte das Reich an und ließ es zu höchster Blüte gedeihen. Als er jedoch in sehr hohem alter starb, entschied sich das Volk dazu, das Herrschaftssystem nach den Vorbildern eines großen Philosophen zu gestalten. Anders als die Nabanen beschlossen die Tomatolen ein einheitliches Volk zu gründen und persönliches Eigentum abzuschaffen. Dieses Prinzip setzte sich interessanterweise ausgesprochen gut in der Gemeinschaft durch und nur wenige Tomaten rebellierten und verließen schlussendlich das Land, um eine kleine Kolonie im Westen zu gründen. Ist es nicht so?“ Vergewissert sich der Spiegel, dem sein veraltetes Wissen inzwischen doch sehr am Ego gekratzt hat. „Bis aufs Wort.“ Klingt es prompt aus dem Schnabel des Federballs, der sich aus körperlicher Unausgeglichenheit im Laufe des Gesprächs auf den Kopf gestellt hatte und darauf rotierend ein quietschendes Geräusch erzeugt. „Und Tomatolien liegt noch immer im Norden. Tjal war stets bewusst, dass er zu höherem bestimmt war als sein Leben als einer von vielen zu fristen. So zog er sich, wie viele Exilanten seiner Art, nach Süden in die Weite Flur zurück.


Mit engagiertem Flatterflug erhob ich mich über die unaufmerksame Masse von meinem Dachbalken und glitt federleicht durch das immer noch geöffnete Mosaikfenster in die Außenwelt. Rege Panik herrschte auf dem Marktplatz Berelings. Wenn der Kriegsrat tagte und dieser nach der Ankunft eines Propheten in solche Hektik ausbrach, musste etwas Bedrohliches in der Luft liegen. Die einen schrieen „Die Tomatolen kommen! Seht in euren Kellern nach!!“ Doch dies war selbstverständlich unsinnig... oder zumindest sehr unwahrscheinlich, da Karotenen und Tomatolen seit Jahrzehnten oder länger in Frieden miteinander lebten. Ein anderer brüllte „Schützt die Königin!“ wieder einer „Das Ende ist nah! Außerweltliche erobern Süd Salatonien!“ darunter verkündete auch ein Marktschreier diese wirre Botschaft. Ich jedoch bahnte mir ungehindert meinen Weg über die Köpfe der Einwohner hinweg zum südlichen Verteidigungswall. Noch bevor ich über die Zinnen der letzten Verteidigungslinie Karotoniens hinweg glitt, hörte ich das gewaltige Donnern der Postkanonen. In besonders eiligen Fällen wie diesen, wurden Pergamente in Kristallkugeln oder Metallzylinder verpackt und mit riesigen Geschützen mehr oder weniger präzise in die Briefkästen der Empfänger quer durch das Land geschossen. Dies war wahnsinnig teuer und brachte die Gefahr mit sich, dem einen oder anderen Adressaten das halbe Haus wegzureißen. Deshalb wurde es sehr selten praktiziert.


Ich erhob mich über die Stadtmauern, die majestätische letzte Bastion gegen einen möglichen Ansturm aus den Appellien hinweg und verließ das Großreich um Bereling in eiligem Flatterflug. Die Dörfer und Kleinstädte des glorreichen Karotoniens zogen an mir vorüber und recht ereignislos näherte ich mich ungehindert der Südgrenze des Landes.


Auf dem Weg dorthin überflog ich ein kleines Ritterheer, das scheinbar eine Burg belagerte. Ein etwas in die Jahre gekommene Karotener erhob vom obersten Dachfenster aus seine eiserne Faust und rief dem Gesandten wütend zu, dessen Herr möge ihn im Arsche lecken. Ansonsten blieb die Reise bis zu den hohen Hügelketten, welche die Grenze zu Nabanees markierten, einen erzähltechnischen Zeitsprung wert. Wie ihr sicher wisst weiser Spiegel, sind die Zentralreiche in vier Großgebiete aufgeteilt von denen Karotonien im Osten liegt, im Norden, wie ihr bereits sagtet, grenzt das Reich Tomatolien an dieses und schließt gen Westen nach Gurkan ab. Südlich werden Gurkan und Karotonien von Nabanees begrenzt. In der Mitte dieser vier kreisförmig angelegten Reiche liegt der Welten- oder Zentralsee mit der Schwanenfestung und seinen ruhmreichen Verteidigern Süd Salatoniens. Dort versammeln sich die Völker zum Jahresende, um ihren persönlichen Göttern für das vergangene Jahr zu danken und um einen Segen für das nächste zu bitten. Doch ich schweife ab.


Die Hügelkette war nur eine gedachte Grenze. Karotenen und Nabanen waren trotz ihrer Gegensätzlichkeit starke Verbündete und gerade in den Grenzdörfern traf man viele Hütten des jeweils anderen Reiches an. Kurz bevor ich den Wall passierte, bemerkte ich noch den Schrein der Begegnung, von dem ich schon so oft gehört hatte. Hier auf dem höchsten Hügel der Kette zwischen den Reichen trafen sich Karotenen und Nabanen unabhängig von den anderen Völkern, um ihre Freundschaften zu festigen und Hochzeiten zwischen den Reichen zu feiern. Gute alte Zeiten“ „Was?“ „Nichts nichts.


Dann tauchte ich endlich in die Schönheit Nabanees ein. Zahlreiche putzige Dörfer, keines natürlich ohne eine Kirche, zierten meinen Weg nach Süden. Die Hauptstadt Nevark lag dabei leider nicht auf meinem Weg, doch diese, berühmt im Salatonischen Reiseführer aufgrund ihrer 125 Kathedralen, hatte ich bereits im vorigen Jahr besucht. Auf meinem weiteren Weg beobachtete ich noch ein lustiges Schauspiel: Auf einem Feld, einige Kilometer vor der nächsten Südgrenze, trafen Soldaten in verschiedenen Farben aufeinander und schlugen spaßeshalber mit harten Salamiwürsten und gefrorenen Forellen aufeinander ein. Dieses Spiel sollte die Einwohner Nabanees immer wieder an den scheußlichen Bürgerkrieg erinnern, in dem sie ihre Freiheit erlangt hatten.


Schon von weitem erblickte ich den riesigen Verteidigungswall, den die vereinten Völker der Zentralreiche nach dem großen Bärenkrieg errichtet hatten. Mehrere Meter ragte das gigantische Bollwerk am Horizont in den Himmel und schied die Zentralreiche gegen den Rest Süd Süd Salatoniens ab. Der imposante Eindruck, den der riesige Wall stets auf mich machte, ließ mich vor Unachtsamkeit beinahe an den gewaltigen Zinnen des Kriegsbauwerks zerplatzen. Nur knapp glitt ich über den Kopf eines Karotenensoldaten hinweg, der hier Wache hielt. Seit seiner Errichtung wurde der Wall von allen Völkern des inneren Reiches verteidigt, auch wenn es seit Jahrzehnten nicht mehr zu einem Angriff gekommen war.


Ab hier ging die Reise schneller voran. Vor fast einem Jahrhundert hatte eine engagiertes Reiseunternehmen von Grünschleifen Schjchu Schjchus in Süd Salatonien landesweite Windtunnel errichtet. Hierbei machten sich clevere Sturmarchitekten die verzwickten Windströmungen des Süd Salatonischen Himmels zu nutze und lenkten diese mit gurkanischer Technologie in feste Transportrouten. Diese halfen nicht nur allen möglichen Schjchu Schjchus bei der Bewältigung ihrer Geschäftsreisen, sondern beschleunigten auch die Paketlieferung und als erfreuliches Nebenprodukt die Reisezeiten von allem, was sich glücklich schätzen konnte über ein gesundes paar Flügel zu verfügen. So hielt ich die Luft an und tauchte durch den wirbelnden Wolkenkanal, der mich rasant weiter in den Süden transportierte.


Mit etwas Aufmerksamkeit konnte man auch noch durch den Windtunnel hindurch das Land unter sich erkennen. Im Süden des Landes hinter dem Verteidigungswall zeigte sich die Welt wie üblich von seiner schlechtesten Seite. Die Randgebiete, die einst zum Reich Nabanees gehörten, waren im großen Krieg größtenteils vernichtet und aufgegeben worden. Dort wo einst ebenso blühendes Leben wie in den Zentralreichen herrschte, finden sich heutzutage nur noch Ruinen alter Dörfer und Städte, verfallene Kirchen, verdorrte Felder und die Überreste der zahlreichen Toten von Bären, Nabanen, Karotenen, Appelliaten und dem einen oder anderen Tomatolen. Hurtig beschleunigte ich meine Flügelschläge, um dieses verfluchte Land, in dem angeblich noch immer die Geister der in der Schlacht Verstorbenen hausen sollten, hinter mir zu lassen und kam früher als erwartet an die Grenze der Ödlande.


Hier im Süden der Welt, hinter den verfluchten Randgebieten und noch vor dem Imperium der Bären, den ehemaligen Appellien, befand sich „Weite Flur“. Ein Gebiet reicher an Schönheit als die Zentralreiche und fernab jeglicher Technologie, Politik oder Religion. In der Weiten Flur hausten die Einwohner Süd Salatoniens, die sich nicht so recht in die Gesellschaft einfügen wollten. Kolonien der Tomatolen, vereinzelte Nabanengilden, hin und wieder ein Karotenenstamm oder eingeborene Cucurbiten, die mit ihren Verwandten doch so rein gar nichts gemeinsam hatten. Die Völker hier waren weder hoch entwickelt, noch besonders wohlhabend. Aber sie waren glücklich in ihrer Abgeschiedenheit und so war Süd Salatonien in seiner Gesamtheit zwar längst nicht perfekt, doch wer entschieden danach suchte, fand einen bestmöglichen Kompromiss für sich. Hier fernab der Eingliederung in die Gemeinschaft konnte der individuelle Geist sprießen und hier wurden auch die meisten Helden geboren. Astor, der heroische Stammesführer einer Karotenensippe, Qutzlko, der schamanische geistliche eines Cucurbitenhaines und auch Tjal, der tollkühne Tomatole.


Letzterer war in meinen Augen stets der größte Held gewesen. Mit nicht einmal fünf Jahren hatte er sich in die Einsiedlerei zurückgezogen und hier mit zehn Jahren einen hundertköpfigen Stoßtrupp der Bären abgewehrt, der nach Nabanees zog. So sagt man auch, dass nicht der riesige Südwall, sondern Tjal der Grund war, aus dem die Bären ihren Jahrezehnte andauernden Invasionsversuchen ein Ende setzten. Im jungen Alter von 12 Jahren machte er sich mit zwei Gefährten auf in die untersten Höllen von K’marr’Z’durr’ und drängte die unbezwingbaren Feuer in den Rachen des Finsterwurmes zurück. Und als die Unbekannten aus den Spitzbergen an den Westgrenzen des Reiches gesehen wurden, führte Tjal einen tapferen Kreuzzug gegen die Schatten, trieb diese für zahlreiche Jahre zurück und verlor dabei selbstlos sein rechtes Auge. In den letzten Jahren war es sehr ruhig um den Recken geworden, da Süd Salatonien die Bedrohungen ausgingen. Die Kriege der moderne wurden auf dem Schlachtfeld von Politik und Bürokratie ausgetragen und in beidem war das Schwert nicht mehr gefragt. Ohnehin hielt sich Tjal so weit es für einen Helden möglich war, aus den Geschehnissen der Zentralreiche zurück. Zuletzt war es seiner Hand zu verdanken, dass die Cucurbiten beim Freudenfest der tausend Sommer, das einzige Ereignis, dass sie leichtfertig aus ihrem Versteck lockte, nicht vollständig von den Schjchu Schjchus vernichtet wurden und nahezu unversehrt wieder in den Untergrund fliehen konnten.“


Der Spiegel seufzt und deutet ein schleierhaftes Kopfschütteln an. „Wenn ich es einem Volk gewünscht hätte, dass sich ihr Schicksal in den vergangen Jahrzehnten zum besseren gewandt hätte, so wären dies die Cucurbiten. Das erste Lebewesen des großen zweiten Anfangs, das vom Odem des Grüns beseelt eigenes Leben entwickelte, war Ismael, der erste Kürbis. Die Cucurbiten waren die wohl intelligentesten Einwohner Süd Salatoniens, da sie einen Intellekt besaßen, der ganz verschieden von dem war, den das Grün seinen Kindern schenkte. Sie sind ein geselliges Volk und verschwenden keinen Gedanken an Krieg und politische Verwirrungen. Ihre Leidenschaft gilt der Mathematik und dem logischen Kalkül. Ihre Intelligenz bescherte ihnen ein besonderes Händchen für die finanziellen Verwicklungen der Reiche und so verhalfen sie nicht selten der einen oder anderen Nation zu plötzlichem Wohlstand. Die Cucurbiten leben weit verstreut in Salatonien. Die kugeligen Wesen nahmen sich ihren Beruf so sehr zu Herzen, dass sich ihre Erscheinung im Laufe der Generationen einem bestimmen Klischee annäherte. Sie trugen durchweg lange weiße Bärte, dicke Geldsäcke für die Geschäfte auf dem Rücken und schwarze Sakkos mit passenden Zylindern für die Optik. Nach Hunderten von Generationen war dieser Brauch ihnen so in die Gene übergegangen, dass jeder kleine Kürbis schon mit Bart, Zylinder und Geldsack auf die Welt kam und lieber sterben wollte als eines von ihnen abzugeben.


Viele Jahrhunderte blieben die „neuen Völker“ Salatoniens unter sich. Sie gerieten, wie es der Lauf der Dinge nun einmal war, in den einen oder anderen Konflikt, jedoch nichts, was das Antlitz der Welt oder die Konstellation der Gemeinschaften nachhaltig beschädigte. So existierten sie Generation um Generation weitestgehend ruhig nebeneinander. Doch irgendwann im Laufe der zweiten Ära wurde den Salatoniern klar, dass sie nicht alleine auf der Welt waren. Wesen der alten Zeit hatten in geringen Zahlen in den Höhlen und Felsklüften auf abgeschiedenen Inseln außerhalb Süd Salatoniens überlebt und sich dort angesiedelt und weiterentwickelt. Da jegliche Konkurrenz bei der Vernichtung des ersten Lebens ausgelöscht wurde, konnten sich die wenigen Überlebenden frei entwickeln und so brachten sie Kreaturen hervor, die so unglaublich waren, dass sie den Wesen der alten Welt kaum noch ähnelten. Und wenn ich dir nun von den Cucurbiten berichte, muss ich unweigerlich auch von denen sprechen, die als erstes nach Süd Salatonien zurückkehrten.“ Schiel lauscht aufmerksam. Kennt sie diese Geschichte doch nur aus bruchstückhaften Erzählungen.


„Eines Tages, zu Beginn der zweiten Ära des zweiten Lebens nach der großen Zerstoßung, drangen Gerüchte über merkwürdige Kreaturen von den Einsiedlern im Nordosten her in das Zentralreich vor, in dem Karotenen, Nabanen, Tomatolen und Gurkaner sich die Herrschaft teilten. Die vier Mächte trafen sich in diplomatischer Mission und beschlossen einen Abgesandten aus jedem Reich in die Berge des nördlichen Ostens zu schicken und über diese Wesen zu berichten. Und so rückte die Gemeinschaft der vier Diplomaten aus, um eine erstaunliche Entdeckung zu machen:


Noch ehe sie die Randgebiete erreichten, trat ihnen ein Schwarm der geflügelten Neuankömmlinge in ebenso diplomatischer Mission entgegen, in welcher sie selbst gekommen waren. Die Rückkehrer stellten sich als Schjchu Schjchus vor und waren etwa 1,20m große Vögel mit blauem Gefieder. Gekleidet in einen langen schwarzen Frack mit weißem Hemd und schwarzer Fliege machten sie dabei einen äußerst intelligenten und zivilisierten Eindruck, der sich auch bestätigte, als sie sich, nicht ganz ohne vor Stolz geschwelltem Gefieder, als studierte Diplomhotelfachvögel auswiesen. Da sie von sich selbst behaupteten, friedlicher Absicht zu sein, hieß sie die Gesandtschaft der vier Völker im Reiche Salatoniens willkommen und innerhalb weniger Wochen boomte die Hotelkette der Schjchu Schjchus im gesamten Zentralreich. Am ausgiebigsten machten die Citorras von den Unterkünften Gebrauch, da sie über ihren zum Teil bemerkenswerten technologischen Stand, der den Gurkanern sehr nahe kam, jegliches handwerkliche Talent verlernt hatten und zum Erbauen von Häusern nicht mehr in der Lage waren. Ironischerweise zählten Citorras zur bevorzugten Nahrungsquelle der großen Vögel, so dass diese einen unfair profitablen Deal herausschlugen und Unterschlupf suchenden Citorras Unterkunft und Fraßschutz gegen horrende Summen anboten.


Doch so glimpflich traf es leider nur die Citorras. Eine der wichtigsten Eigenarten der Schjchu Schjchus war nicht der Frack, das Hemd oder die Fliege, sondern der Zylinder. Dieser war von einem bunten Band umgeben, dessen Farbe das Erkennungszeichen der verschiedenen Familien darstellte. Jede Schjchu Schjchu Familie oder Kaste hatte ihre eigenen speziellen Eigenschaften: Rotschleifen Schjchu Schjchus waren geschickte Empfangsvögel, Blauschleifen Schjchu Schjchus kannten sich gut im Verwalten der Finanzen aus, Grünschleifen Schjchu Schjchus waren hervorragende Raumgestaltungs- und Innenausstattungsvögel und so weiter. An dieser Stelle jedoch gilt es das komplizierte Geburtsritual der sonderbaren Zuwanderer zu erwähnen:


Wenn ein Schjchu Schjchu Pärchen Nachwuchs bekam, legte das Weibchen ein bereits 1,20m großes Ei. In diesem befand sich ein perfekt ausgewachsenes Schjchu Schjchu Küken mit Frack, Hemd und Fliege… jedoch ohne Zylinder! Ohne einen solchen waren die Schjchu Schjchus aber nicht lebensfähig und so hatte das Männchen nach dem Legen des Eis noch eine gute halbe Stunde Zeit einen frischen Zylinder zu besorgen. Panisch flatterte also solch ein werdender Vater durch das Zentralreich Süd Salatoniens, um sein Junges zu retten und erblickte dabei einen spazierenden Cucurbiten. Dieses Treffen führte unweigerlich zu einem kulturellen Konflikt: Da die Schjchu Schjchus sehr direkte Wesen und im Anbetracht der Situation recht forsch waren, deuteten sie nur fuchtelnd auf den Zylinder und krächzten so etwas wie „Her damit!“ oder „Gib mir das!“. Diese Umgangsformen jedoch waren für Cucurbiten höchst abstoßend und so erwiderten sie dies nur selten mit einem Einverständnis. Auf diese Weise schrumpfte die Zahl der hoch entwickelten Cucurbiten beträchtlich, ohne dass es eines der anderen Völker wagte gegen die Zuwanderer aufzubegehren. So waren die Bankiers und Steuerberater des Landes gezwungen in den Untergrund zu fliehen und in Kellergewölben und Zwischenwänden zu hausen. Gleichsam reduzierte sich auch die Anzahl der Schjchu Schjchus, so dass sich die beiden Völker stets gegenseitig bedingten.“


„Ein ebenso tragisches wie absurdes Schicksal für ein so großes Volk.“ Ein zustimmendes Grummeln des Spiegels. Schiel traf den Nagel auf den Kopf. Der Besucher schüttelt sich die Feuchtigkeit des Saales notdürftig aus dem Gefieder, rückt das Kissen zurecht und fährt erneut mit seinem Teil der Geschichte fort.


„Nun gut. Nachdem weite Teile der vor Wundern strotzenden Weiten Flur hinter mir lagen, erspähte ich vor mir eine kleine Hütte, abseits der Dörfer, nur an einem alten Feldweg gelegen. Das Dach war frisch mit Stroh gedeckt worden und aus dem kleinen Schornstein stieg eine friedlich wogende Rauchschwade auf. Kurz vor der Türschwelle lag eine geöffnete Kristallkugel, die eine Furche in den Boden und den verzierten Briefkasten weg gerissen hatte. Die Fenster des beschaulichen Hauses standen vom arglosen Helden offen gelassen und so konnte ich auf dem Sims landen und einen kleinen Blick in das innere der Wohnung werfen. Zwei Tage waren bereits vergangen, seit ich aus Bereling aufgebrochen war und die Eilbotschaft des Kaisers hatte den tollkühnen Tjal bereits erreicht, so dass die Tomate bereits ihren Abmarsch vorbereitete.

Kapitel 4

Kapitel 4


Das Marschgepäck des heldenhaften Tomatolen war bereits gepackt und ein Rucksack mit Proviant, sowie diverse Waffen vom Speer bis zur Armbrust standen neben der Tür. Dann trat Tjal, in seiner strahlenden Pracht aus dem Bad kommend, in das von Sonne durchflutete Wohnzimmer und ein seltsamer Schimmer schien von ihm selbst auszugehen. Sein Körper war von saftig roter Farbe und von Muskeln gestählt. Das grüne Kraut war sorgfältig zu recht gekämmt und mit gelassenem Gang schritt er zu einem massiven Holzschrank herüber. Mich bemerkte er dabei nicht, obwohl sich mein Schatten deutlich sichtbar auf dem sauberen Dielenfußboden abzeichnete. Wir Erzählerkauze haben zu Gunsten unserer beruflichen Tätigkeit die Eigenart, überdurchschnittlich unauffällig zu sein und kaum Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Die Türen des Schrankes flogen auf und offenbarten den Inhalt: Eine prächtige Rüstung, die dem Tomatolen als Geschenk des Fürsten Osrik auf den Leib geschmiedet wurde, hing sorgfältig über einem Kleiderbügel. Tjal nahm sie heraus, legte sie über einen hölzernen Schemel und stellte sich vor den Spiegel. Als er sich zu rüsten begann erklang irgendwo in der Ferne ein episches Orchester und untermalte die Situation entsprechend.


Leise Streicher unterlegten den Augenblick als Tjal in Kettenhose und Kettenhemd schlüpfte, lauter wurden die Kontrabässe als er sich in die Stiefel zwängte und mit jeweils einem Paukenschlag legte er seine Panzerhandschuhe an. Als er den Kürass festschnallte kam das mysteriöse Orchester zu einem Höhepunkt und klang nach einem gewaltigen Finale aus, als er seinen Helm aufsetzte und das Visier schloss. Die sichere Hand des Tomatolen ergriff das blitzende Langschwert und triumphierend posierte er in gefährlichen Kampfstellungen für den Leser. Der weiseste Prophet hatte das Ende der Welt verkündet und der größte Held aller bekannten Reiche folgte dem Ruf zur Rettung. Süd Salatonien konnte sich in Sicherheit wiegen! Das ruhmreiche Abenteuer von Tjal dem tollkühnen Tomatolen begann!


In selbstsicherem Gang marschierte der Recke zur Tür, packte sein Gepäck und löschte die Kerzen, ehe er durch die schwere Eichentür hinaus schritt. Ich flog vom Fenstersims auf das mit Stroh gedeckte Dach und blickte herab. Von einem feierlichen Chor aus Vogelgezwitscher begleitet, trottete der Held mit erhobenem Haupt den Weg zur Landstraße hinab und wandte sich nach Osten, um seine abenteuerliche Reise zu beginnen. Mit der hellsten der drei strahlenden Sonnen im Rücken tat die tollkühne Tomate den ersten Schritt und wurde von der Postkutsche überfahren. Tjal war tot. Sein zermatschter Körper lag über mehrere Meter verteilt die staubige Straße entlang.


„Bei den Göttern! Halt an!“ Ertönte eine wohlklingende aber panische Stimme vom Sitz der Kutsche und wiehernd bremsten die beiden Knogglgox genannten Hühnchen, die die Kutsche zogen. Die Räder wirbelten eine dichte Staubwolke auf. Mit einem kühnen Sprung wuchtete sich eine Sternfrucht vom Sitz herab und rannte zum überfahrenen Tomatenhelden. „So... jetzt reicht's...“ stöhnte eine weitere Stimme vom Kutschsitz und ungeschickte stolperte eine genervte Ananas auf den Feldweg. Pein Quebert Eppel war mürrisch, gereizt und gnadenlos übermüdet. „Das ist jetzt das vierte Mal in dieser Woche und jedes Mal muss ich die verdammte Kutsche putzen! Ich kündige!“ Während sein Gefährte besorgt die Überreste des Verunglückten untersuchte, machte sich Pein daran, seine Postbotenmütze zu zertreten, die Briefsäcke von der Kutsche zu zerren und den Inhalt wild keifend über der Wiese zu verteilen.“


„Eine Ananas und eine Sternfrucht?“ fragt der Spiegel skeptisch. Schiel bestätigt ihre Geschichte mit einem selbstsicheren Kopfnicken. „Ist das nicht sehr... ungewöhnlich? Beide Völker waren zu meiner Zeit nicht sehr bedeutend, aber in ihren Eigenschaften doch grundverschieden. Die Sternfrüchte waren immer sehr genügsam, richteten sich beschauliche Dörfer auf den Vorwiesen und in Weite Flur ein und führten ein schlichtes aber heiteres Leben. Eine Ananas jedoch... nun ja... eine Ananas lebte in der Regel allein, irgendwo, wo sie niemand so schnell stören konnte. Sie waren häufig schlecht gelaunt und vor allem unmotiviert.“ „Und bei Pein und Starvarius ist diese Kluft noch viel größer...“ ergänzt die Kampfnickeule.


„Eigentlich gibt es nur noch drei nennenswerte Dörfer der Sternfrüchte. Starvarius wuchs in einem kleinen Ort im Südwesten von Weite Flur nahe der Appellien auf. Er war unter seinen Brüder ein besonderes Exemplar. Sein Vater war die Durchschnittlichkeit seines Volkes leid und da die Tage, in denen er die Möglichkeit gehabt hätte großes zu leisten, bereits vergangen waren, übertrug er alle seine Wunschvorstellungen auf seinen Sohn. Dieser hatte nun, mit großem Erfolg, die ehrenhaften Ideale eines typischen Helden von seinem Vater eingeprügelt bekommen. Und eingeprügelt bedeutet in diesem Fall, dass er während seiner Erziehung die Worte „Demut“ „Tugendhaftigkeit“ oder „Tapferkeit“ in ein Kantholz ritzte und... man denke sich den Rest. Tatsächlich hatte Starvarius sich diese Tugenden zu Herzen genommen und war ein Vorbild für Demut, Ehre, Disziplin, Tapferkeit und Güte. Da sein Vater allerdings kaum einen Helden persönlich kannte und seine Vorstellungen hauptsächlich aus kitschigen Fantasiegeschichten und ausschmückenden Erzählungen zusammenbastelte, hatte Starvarius auch die typischen Nachteile dieses Klischees: Er war selbstzerstörerisch gütig, lebensbedrohlich tapfer und von einer naiven Gutherzigkeit, dass es ein Wunder war, wie er es jemals bis hierher geschafft hatte. Doch so sehr sein Vater sich auch bemühte, so wenig konnte er über die Tatsache hinwegsehen, dass Sternfrüchte nun einmal nicht zu großen Taten geboren waren. Ihr Volk war eben einfach durchschnittlich. Dann kam jedoch der Zeitpunkt, an dem Starvarius eines Tages seine Habe zusammen sammelte und in die Welt auszog, um sich einen Ruf zu machen. Und mit etwas Glück und einem Zwinkern des Schicksals wäre ihm dies auch vergönnt gewesen... wäre ER nicht gewesen... sein „treuer“ Begleiter.


Pein Eppel war eine melancholische, chronisch depressive, zynisch-sarkastische, faule und vor allem cholerische und missmutige Ananas. Aus einem ihm selbst unbekannten Grund hasste er das Leben, allem voran sein eigenes. Er verbrachte den Großteil seiner Jugend und der darauffolgenden Jahre in einer abgeschiedenen Hütte im nördlichen Teil von Weite Flur am Rande der Spitzgebirge und hoffte insgeheim darauf, dass ihn irgendwann die Unbekannten holten. Selbst seine Stelle als Postbote bewegte ihn nur selten zum Aufstehen. Er war antriebslos und faul und hätte vermutlich zu Lebzeiten keinen einzigen Schritt mehr vor die Tür gesetzt, wenn ihm nicht die sonderbaren Glaubensgrundsätze seines Volkes unentwegt Gewissensbisse bereitet hätten. Um eine Ananas und was sie antrieb zu kennen, musste man sich mit ihrem Glauben vertraut machen. Im Gegensatz zu den üblichen Religionen Süd Salatoniens war es für das Leben nach dem Tod bei einer Ananas völlig egal wie man gelebt hatte, entscheidend war, wie man seinen Abgang inszenierte. In älteren Kriegerkulturen wie etwa bei den Radieschen fiel das Jenseits umso glückseliger aus, je tapferer sie vor ihrem Tod gekämpft hatten. Bei den Ananassen war Tapferkeit nicht der springende Punkt... sondern Spektakularität. Je effektvoller und pompöser der Abgang einer Ananas, desto reicher das Leben danach. Dies reichte von der absoluten Erfüllung der ersten Stufe des Himmels, bis zur untersten Ebene der Hölle: Kapschmuuk. Pein Eppel lief bei dem Gedanken ein kalter Schauer den Rücken herunter und er schüttelte sich ängstlich. Hier war Pein Eppels Problem. Er war gezwungen auszuziehen und sich den Gefahren der Welt zu stellen, um in ihnen das beste aller Enden zu finden. Das stand ihm schließlich seiner Meinung nach mehr als zu. Und hier kreuzten sich die Wege der beiden ungleichen Gefährten.


In einer kargen Felswüste am Rande der Spitzberge kämpfte die strahlende Sternfrucht selbstlos gegen eine angreifende Scharfsherde und rette seinem zukünftigen Schützling so zum ersten Mal das Leben. Selbstverständlich unwissend, dass sich die Ananas wissentlich in diese gefährliche Situation begeben hatte. Starvarius verwechselte die Tatsache, dass Pein sich ohne Gegenwehr auf die Scharfsherde stürzte mit Wehrlosigkeit oder allenfalls Blödheit und wich dem Zyniker fortan nie mehr von der Seite. Seine Motivation war simpel: Die Ananas war schwach und wer sich für einen Helden hielt, der beschützte die Schwachen. Also war es seine Aufgabe ihn zu Gefahren zu bewahren, wo auch immer er konnte. Während Pein anfangs noch jedes erdenkliche Mittel in Anspruch nahm, seinen lästigen Leibwächter wieder loszuwerden, erkannte er später, dass Starvarius für ihn viel mehr war als ein Held. Er war ein Todesmagnet! In seinem Tatendrang zog der abenteuerlustige Kämpfer mehr gefährliche Situationen an, als Pein sie sich jemals erträumt hätte. Während er in seiner einsamen Hütte keinen Fuß vor die Tür gekriegt hatte, zwang ihn sein neuer Begleiter nun förmlich von Abenteuer zu Abenteuer und von einer Gelegenheit ein beeindruckendes Ende zu finden in die andere. Bis zu dem Tag, als Pein Eppels Postkutsche den tollkühnen Tjal zerlegte, hatte Starvarius seinen Begleiter 45 Mal in lebensbedrohliche Situationen gebracht... und jedes Mal unbeschadet wieder daraus befreit. Dummerweise verstand die Sternfrucht ihr Handwerk zu gut, so dass Pein inzwischen die Hoffnung aufgab. Doch auch wenn Starvarius tapfer kämpfte... ein Held, wurde er dadurch nie.


Während Starvarius in einem Anflug von Optimismus versuchte den zermatschten Körper mit Wiederbelebungsversuchen zu retten, ließ sich Pein Eppel auf einem Wiesenfindling nieder und starrte in die endlose Weite des Himmels nach Norden. „Er ist tot! Wir haben ihn umgebracht!“ Tönte Starvarius entsetzt. Den Kopf desinteressiert auf die linke Faust gestützt drehte die Ananas den Kopf zur Seite. „Hat er was Wertvolles dabei?“ Die heroische Sternfrucht konnte die Teilnahmslosigkeit seines Begleiters nicht fassen, versuchte aber aus den Überresten die Identität des Verstorbenen zu ermitteln. Unter den Unterlagen, die Tjal in seinem Rucksack verstaut hatte, befand sich auch das Schreiben Kaiser Gottliebs III. Starvarius überflog es und die Tragik dieses Ereignisses völlig vergessend zogen sich seine Mundwinkel immer weiter zu einem strahlenden Lächeln nach oben. Konnte es das wirklich sein? In all den Reisen mit seinem unmotivierten Gefährten begleitete die Sternfrucht insgeheim unentwegt der Wunsch nach... nach etwas größerem... nach seiner Bestimmung. Hatte das Schicksal ihn endlich auserwählt? Mit einem gespielt pathetischen Unterton, den ihm sein Vater ebenfalls beigebracht hatte, schließlich gehörte das ja bei einem Helden dazu, las er die Botschaft laut vor:


„An die wackeren Recken Süd Salatoniens! Die Welt, die wir so sehr lieben, ist in Gefahr! Im Namen Kaiser Gottliebs III fordere ich alle, die tapferen Gemüses sind, auf, sich auf die Suche nach der Höhle des Schicksals zu begeben! Dort liegt nach der Prophezeiung die Lösung für unsere Rettung vor dem Ende! Ganz gleich aus welchem Volk ihr seid und was eure Beweggründe sind: die Welt braucht euch!

Geht mit dem Segen der Götter, Nostradanuss“


Starvarius faltete das Blatt sorgfältig zusammen und verstaute es in seiner Umhängetasche. Pein Eppel hatte weder zugehört, noch sich von seinem Denkerfelsen erhoben. Die Sternfrucht half ihrem Begleiter wortlos strahlend auf und beugte sich erneut herab, um das glänzende Langschwert des gescheiterten Helden an sich zu nehmen. Eine gefährliche Reise lag nun vor ihnen... das war sie... seine Stunde. Dies war das Abenteuer, auf das er so lange von seinem Vater vorbereitet worden war. Er, Starvarius, musste die Welt retten. Die Ananas nahm mit zunehmender Beunruhigung das Funkeln in den Augen seines Beschützers wahr... und es gefiel ihm gar nicht. Er hatte wieder irgendwas blödes vor... irgendwas heldenhaftes. „Wir suchen die Höhle des Schicksals! Wir retten die Welt!“ rief er motiviert in die Weite hinaus. Die melancholische Ananas stöhnte frustriert und brach sich einen Finger. Starvarius ignorierte die inzwischen selbstverständlich gewordene Geste seines Begleiters und rieb sich grübelnd das Kinn. Wo war eigentlich diese Höhle des Schicksals? Pein spielte mit dem locker hin und her wackelnden Finger und murmelte verzweifelte Flüche. Sein tapferer Begleiter lehnte sich an das Rad der Kutsche zurück und stützte sich auf das glänzende Langschwert während er nachdachte.


„Vergiss nicht dein Versprechen!“ mahnte die Ananas vorwurfsvoll. „Wir müssen nach Norden zum Datteldorf! Jede Ananas, die etwas auf sich hält, wird dort sein!“ Starvarius schüttelte gelassen den Kopf. „Euer Treffen ist in zwei Monaten. Bis dahin haben wir die Welt vier Mal gerettet.“ Pein ließ den Kopf bedrückt hängen. Das klang nicht gut. Er hatte Wochen gebraucht, um Starvarius weiß zu machen, dass es sich bei der Versammlung im Nordosten um eine traditionelle Feierlichkeit seines Volkes handelte und eben nicht um den rituellen Selbstmord, bei dem alle 20 Jahre die halbe Bevölkerung des Dattellandes von den Klingenklippen sprang. Nachdem die Sternfrucht sich mehr und mehr als zu kompetent herausstellte, um ihn in irgendeiner Schlacht sterben zu lassen, hatte er sich diesen Plan B zurecht gelegt. Zwar konnte man als Ananas noch wesentlich angenehmere Stufen des Himmels erreichen, doch er war schon mindestens 15 Jahre älter als eine Ananas in der Regel wurde und in seinem Alter konnte man einfach nicht mehr wählerisch sein.


Inzwischen hatte sich die Sternfrucht durch ihr Reisegepäck gewühlt und ein kleines Handbuch mit der Aufschrift „Die Lokalgelehrten Süd Salatoniens“ herausgekramt und blätterte neugierig darin herum. Skeptisch überflog er die zahlreichen Einträge. Wenn sich so viele Völker auf einem Fleck drängten, war es schon beeindruckend, wie sich die angeblichen Gelehrten und weisen Früchte in einem Landstrich sammelten. Sie mussten einen Kundigen der alten Mythen finden, einen Weisen, der ihnen den Weg weisen konnte „Wir hätten hier den weisen Wurm vom Süd Salatonischen Staatskomposthaufen hinter den östlichen Appellien... den kurios klugen Cucurbiten in den nördlichen Vorwiesen...“ Desinteressiert hob die Ananas lustlos den Kopf und blickte zu ihm. „Was ist denn am nächsten dran?“ Starvarius grinste motiviert, klappte ruckartig das Büchlein zu und hob begeistert die Faust in die Höhe. „Die Lichtung der Weisheit in den Tiefen des Schnackerwaldes. Wenn wir uns beeilen sind wir in weniger als einer Woche dort. Auf geht's!“ Dabei versetzte er seinem Gefährten einen gut gemeinten Ellenbogenstoß in die Seite und grinste ihn motivierend an.


Die nun völlig genervte Ananas verdrehte die Augen und stöhnte voll Unverständnis über den Tatendrang ihres ungewollten Begleiters. „Nicht schon wieder.“ Keuchte sie und noch während die letzten Silben seine Lippen verließen, hatte sich die strahlende Frucht auf die Kutsche geschwungen, seinen depressiven Begleiter am Krautschopf gepackt und auf den Kutschsitz geworfen. „Auf in den Schnackerwald“ prahlte Starvarius majestätisch heraus und schwang das blitzende Schwert. Pein Eppel griff sich so rasch es seine Trägheit zuließ die Zügel und scheuchte die beiden Knogglgox vor sich her. Je früher sie da waren, desto eher konnten sie weiter nach Norden. Stets in der Hoffnung, dass Starvarius es dieses Mal nicht verhindern konnte... wie die 45 Mal zuvor. Zumindest stimmte die Richtung.


All diese Einzelheiten erfuhr ich aus den meist sehr einseitigen, aber informativen Gesprächen der beiden ungleichen Reisenden, während ich es mir auf dem hinteren Teil der Kutsche gemütlich gemacht hatte. Obwohl wir Kampfnickeulen eher eine Seltenheit unter den Völkern Süd Salatoniens darstellen, nimmt man uns doch wie gesagt kaum war... gewisse riesige blaue Vögel ausgenommen...“ Schiel flucht etwas Leises in ihr Gefieder. „Ebenso schienen Pein Eppel und sein Begleiter mich entweder nicht wahrzunehmen oder nicht zu beachten. Der eine, weil er auf sein heldenhaftes Ziel fixiert war, der andere, weil es ihm einfach völlig egal war. So freundete ich mich mit der Rolle des unbeteiligten Erzählers an und versuchte mich während der übrigen Reise im Hintergrund zu halten. Obwohl es theoretisch meine Aufgabe gewesen wäre, einen der anderen Helden aufzusuchen, um dessen Weg zur Höhle des Schicksals zu beobachten, interessierte es mich aus irgendeinem Grund mehr, wie die Reise des depressiven Zynikers und seines selbsternannten Leibwächters weitergehen mochte. Später erfuhr ich, dass alle entsandten Helden auf ähnlich tragische und merkwürdige Weise wie Tjal ihr Ende entweder bereits gefunden hatten oder dies wenig später fanden. So sollte also das Schicksal der Welt tatsächlich in den Händen des unberechenbaren Pein Eppel und dem naiven Idealisten Starvarius liegen.


Lustlos fraßen sich die Räder der alten Holzkutsche durch den staubigen Untergrund der abgelegenen Landstraße und ein weiteres Mal gab Starvarius seinem Schützling einen Stoß, damit dieser nicht während der Fahrt einschlief und aus dem Sitz plumpste. Ihre Reise führte sie durch die endlosen, wunderschönen aber stets gleichen Landschaften von Weite Flur immer weiter nach Osten. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass selbst Schönheit seine Wirksamkeit verlor, wenn man sie nicht in Maßen genoss. Schon vor einigen Stunden hatten sie an einer Weggabelung den Weg nach Osten eingeschlagen und nicht wie zuvor geplant in den Norden des Landes. An eben dieser Kreuzung hatte Pein Eppel, dem unweigerlich wieder seine missliche Lage bewusst wurde, in einem cholerischen Anfall aus heiterem Himmel zwei faustgroße Stücke aus dem Sitzkissen gebissen. Fortan zog die Kutsche eine Spur aus Federn hinter sich her. Diese willkürlichen Anfälle waren die einzige Form von Aktivität, die die faule Ananas aus ihrem routinierten Trott heraus brachten und von einer seelenlosen Hülle mit Ananasfüllung unterschieden.


Mittlerweile waren seit ihrem Aufbruch zwei Tage vergangen und die letzte Spur von Zivilisation lag etliche salatonische Kilometer zurück. Pein zog die Zügel der beiden Knogglgox an und brachte die Kutsche zum Stillstand. „Hier ist Ende. Lass uns umdrehen.“ Mit diesen Worten, in selbstverständlich desinteressiertem Ton, kommentierte Pein Eppel die Tatsache, dass die staubige Landstraße plötzlich in eine endlose Wiese mündete. Weit und breit war kein Anhaltspunkt zu erkennen, wo sie waren oder wohin der Weg sie führte. Fragen konnten sie auch niemanden. Seit guten vier Stunden waren sie keinem Wesen bis auf einem streifenden Schjchu Schjchu Staubsaugervertreter und zwei Zimtschnecken begegnet. Diese sinnierten in angeregter Konversation über die Nahtoderfahrung ihres Vetters nach der Begegnung mit einem herabfallenden Baumstamm. Voller Tatendrang begann Starvarius die Umgebung aussichtslos nach Wegweisern und Hinweisschildern abzusuchen während Pein Eppel im Stehen ein Nickerchen hielt.

Dienstag, 24. November 2009

Süd Salatonien - Band I - That's it!

Viele Jahrtausende nach dem Untergang der Menschheit erhebt sich die nächste Evolutionsstufe intelligenten Lebens auf der Erde: Die Salatonier! In einer postapokalyptischen Welt der Unglaublichkeiten voller skurriler Kreaturen und unvorstellbarer Fabelwesen errichten sie auf den Ruinen des ersten Lebens ihre florierende Zivilisation. Doch zu Beginn der Ereignisse herrscht Aufruhr im Reich Süd Salatonien: Die Ankunft des mystischen Propheten Nostradanuss und seine verhängnisvolle Prophezeiung vom Ende der Welt veranlassen den Kaiser der vier Zentralreiche, alle Helden des Kontinents auf die Suche nach der Höhle des Schicksals zu entsenden... Zu dumm nur, dass bereits wenige Tage nach Erhalt der Botschaft sämtliche Recken des Landes bei sonderbaren Unfällen ums Leben kommen.

Die letzte Hoffnung Süd Salatoniens scheinen nun ausgerechnet der melancholisch-depressive, zynisch-sarkastische Choleriker und Hobby-Sadist Pein Eppel und sein ebenso erfolgloser wie idealistischer Begleiter und selbsternannter Leibwächter Starvarius zu sein. Nachdem die Botschaft des Kaisers durch Zufall in ihre Hände fällt, machen die beiden, der eine mehr, der andere weniger freiwillig, die Rettung der Welt zu ihrer neuen Aufgabe.

Stets unter Beobachtung der wachsamen Kampfnickeule und hauptberuflichem Geschichtenerzähler Schiel entfaltet sich auf ihrer Reise vor den beiden Protagonisten von attraktiven Wortwalen und lichtspeichernden Spiegeligeln, über lodernde Flammingos und die verdrehte Flexdexe bis zum Gott des Wahnsinns und dem Schicksaal persönlich das geballte Spektrum einer an Absurdität und Abwechslungsreichtum so nie dagewesenen Fantasywelt.

Doch schnell müssen die beiden Möchtegern-Helden feststellen, dass ihre facettenreiche Welt ebenso düster und gefährlich wie quietschbunt ist und politische Auseinandersetzungen, religiöse Differenzen und moralisch-philosophische Konflikte auf der Schattenseite der Medaille an der Tagesordnung stehen. Schritt für Schritt versinken sie tiefer in einer umfassenden Verschwörung und entdecken das Ausmaß einer der größten Bedrohungen, mit der sich Süd Salatonien je konfrontiert sah. Wer ist für den Tod der strahlenden Helden verantwortlich? Was hat es mit dem Schicksaal wirklich auf sich und... was ist eigentlich mit Nord Salatonien?


Autor: Jan Michalsky
Verlag: Zaria Prophetia
Erscheinungsdatum: Februar 2010
ISBN-10:
394151105X
ISBN-13: 978-3941511057