Montag, 7. Dezember 2009

Kapitel 4

Kapitel 4


Das Marschgepäck des heldenhaften Tomatolen war bereits gepackt und ein Rucksack mit Proviant, sowie diverse Waffen vom Speer bis zur Armbrust standen neben der Tür. Dann trat Tjal, in seiner strahlenden Pracht aus dem Bad kommend, in das von Sonne durchflutete Wohnzimmer und ein seltsamer Schimmer schien von ihm selbst auszugehen. Sein Körper war von saftig roter Farbe und von Muskeln gestählt. Das grüne Kraut war sorgfältig zu recht gekämmt und mit gelassenem Gang schritt er zu einem massiven Holzschrank herüber. Mich bemerkte er dabei nicht, obwohl sich mein Schatten deutlich sichtbar auf dem sauberen Dielenfußboden abzeichnete. Wir Erzählerkauze haben zu Gunsten unserer beruflichen Tätigkeit die Eigenart, überdurchschnittlich unauffällig zu sein und kaum Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Die Türen des Schrankes flogen auf und offenbarten den Inhalt: Eine prächtige Rüstung, die dem Tomatolen als Geschenk des Fürsten Osrik auf den Leib geschmiedet wurde, hing sorgfältig über einem Kleiderbügel. Tjal nahm sie heraus, legte sie über einen hölzernen Schemel und stellte sich vor den Spiegel. Als er sich zu rüsten begann erklang irgendwo in der Ferne ein episches Orchester und untermalte die Situation entsprechend.


Leise Streicher unterlegten den Augenblick als Tjal in Kettenhose und Kettenhemd schlüpfte, lauter wurden die Kontrabässe als er sich in die Stiefel zwängte und mit jeweils einem Paukenschlag legte er seine Panzerhandschuhe an. Als er den Kürass festschnallte kam das mysteriöse Orchester zu einem Höhepunkt und klang nach einem gewaltigen Finale aus, als er seinen Helm aufsetzte und das Visier schloss. Die sichere Hand des Tomatolen ergriff das blitzende Langschwert und triumphierend posierte er in gefährlichen Kampfstellungen für den Leser. Der weiseste Prophet hatte das Ende der Welt verkündet und der größte Held aller bekannten Reiche folgte dem Ruf zur Rettung. Süd Salatonien konnte sich in Sicherheit wiegen! Das ruhmreiche Abenteuer von Tjal dem tollkühnen Tomatolen begann!


In selbstsicherem Gang marschierte der Recke zur Tür, packte sein Gepäck und löschte die Kerzen, ehe er durch die schwere Eichentür hinaus schritt. Ich flog vom Fenstersims auf das mit Stroh gedeckte Dach und blickte herab. Von einem feierlichen Chor aus Vogelgezwitscher begleitet, trottete der Held mit erhobenem Haupt den Weg zur Landstraße hinab und wandte sich nach Osten, um seine abenteuerliche Reise zu beginnen. Mit der hellsten der drei strahlenden Sonnen im Rücken tat die tollkühne Tomate den ersten Schritt und wurde von der Postkutsche überfahren. Tjal war tot. Sein zermatschter Körper lag über mehrere Meter verteilt die staubige Straße entlang.


„Bei den Göttern! Halt an!“ Ertönte eine wohlklingende aber panische Stimme vom Sitz der Kutsche und wiehernd bremsten die beiden Knogglgox genannten Hühnchen, die die Kutsche zogen. Die Räder wirbelten eine dichte Staubwolke auf. Mit einem kühnen Sprung wuchtete sich eine Sternfrucht vom Sitz herab und rannte zum überfahrenen Tomatenhelden. „So... jetzt reicht's...“ stöhnte eine weitere Stimme vom Kutschsitz und ungeschickte stolperte eine genervte Ananas auf den Feldweg. Pein Quebert Eppel war mürrisch, gereizt und gnadenlos übermüdet. „Das ist jetzt das vierte Mal in dieser Woche und jedes Mal muss ich die verdammte Kutsche putzen! Ich kündige!“ Während sein Gefährte besorgt die Überreste des Verunglückten untersuchte, machte sich Pein daran, seine Postbotenmütze zu zertreten, die Briefsäcke von der Kutsche zu zerren und den Inhalt wild keifend über der Wiese zu verteilen.“


„Eine Ananas und eine Sternfrucht?“ fragt der Spiegel skeptisch. Schiel bestätigt ihre Geschichte mit einem selbstsicheren Kopfnicken. „Ist das nicht sehr... ungewöhnlich? Beide Völker waren zu meiner Zeit nicht sehr bedeutend, aber in ihren Eigenschaften doch grundverschieden. Die Sternfrüchte waren immer sehr genügsam, richteten sich beschauliche Dörfer auf den Vorwiesen und in Weite Flur ein und führten ein schlichtes aber heiteres Leben. Eine Ananas jedoch... nun ja... eine Ananas lebte in der Regel allein, irgendwo, wo sie niemand so schnell stören konnte. Sie waren häufig schlecht gelaunt und vor allem unmotiviert.“ „Und bei Pein und Starvarius ist diese Kluft noch viel größer...“ ergänzt die Kampfnickeule.


„Eigentlich gibt es nur noch drei nennenswerte Dörfer der Sternfrüchte. Starvarius wuchs in einem kleinen Ort im Südwesten von Weite Flur nahe der Appellien auf. Er war unter seinen Brüder ein besonderes Exemplar. Sein Vater war die Durchschnittlichkeit seines Volkes leid und da die Tage, in denen er die Möglichkeit gehabt hätte großes zu leisten, bereits vergangen waren, übertrug er alle seine Wunschvorstellungen auf seinen Sohn. Dieser hatte nun, mit großem Erfolg, die ehrenhaften Ideale eines typischen Helden von seinem Vater eingeprügelt bekommen. Und eingeprügelt bedeutet in diesem Fall, dass er während seiner Erziehung die Worte „Demut“ „Tugendhaftigkeit“ oder „Tapferkeit“ in ein Kantholz ritzte und... man denke sich den Rest. Tatsächlich hatte Starvarius sich diese Tugenden zu Herzen genommen und war ein Vorbild für Demut, Ehre, Disziplin, Tapferkeit und Güte. Da sein Vater allerdings kaum einen Helden persönlich kannte und seine Vorstellungen hauptsächlich aus kitschigen Fantasiegeschichten und ausschmückenden Erzählungen zusammenbastelte, hatte Starvarius auch die typischen Nachteile dieses Klischees: Er war selbstzerstörerisch gütig, lebensbedrohlich tapfer und von einer naiven Gutherzigkeit, dass es ein Wunder war, wie er es jemals bis hierher geschafft hatte. Doch so sehr sein Vater sich auch bemühte, so wenig konnte er über die Tatsache hinwegsehen, dass Sternfrüchte nun einmal nicht zu großen Taten geboren waren. Ihr Volk war eben einfach durchschnittlich. Dann kam jedoch der Zeitpunkt, an dem Starvarius eines Tages seine Habe zusammen sammelte und in die Welt auszog, um sich einen Ruf zu machen. Und mit etwas Glück und einem Zwinkern des Schicksals wäre ihm dies auch vergönnt gewesen... wäre ER nicht gewesen... sein „treuer“ Begleiter.


Pein Eppel war eine melancholische, chronisch depressive, zynisch-sarkastische, faule und vor allem cholerische und missmutige Ananas. Aus einem ihm selbst unbekannten Grund hasste er das Leben, allem voran sein eigenes. Er verbrachte den Großteil seiner Jugend und der darauffolgenden Jahre in einer abgeschiedenen Hütte im nördlichen Teil von Weite Flur am Rande der Spitzgebirge und hoffte insgeheim darauf, dass ihn irgendwann die Unbekannten holten. Selbst seine Stelle als Postbote bewegte ihn nur selten zum Aufstehen. Er war antriebslos und faul und hätte vermutlich zu Lebzeiten keinen einzigen Schritt mehr vor die Tür gesetzt, wenn ihm nicht die sonderbaren Glaubensgrundsätze seines Volkes unentwegt Gewissensbisse bereitet hätten. Um eine Ananas und was sie antrieb zu kennen, musste man sich mit ihrem Glauben vertraut machen. Im Gegensatz zu den üblichen Religionen Süd Salatoniens war es für das Leben nach dem Tod bei einer Ananas völlig egal wie man gelebt hatte, entscheidend war, wie man seinen Abgang inszenierte. In älteren Kriegerkulturen wie etwa bei den Radieschen fiel das Jenseits umso glückseliger aus, je tapferer sie vor ihrem Tod gekämpft hatten. Bei den Ananassen war Tapferkeit nicht der springende Punkt... sondern Spektakularität. Je effektvoller und pompöser der Abgang einer Ananas, desto reicher das Leben danach. Dies reichte von der absoluten Erfüllung der ersten Stufe des Himmels, bis zur untersten Ebene der Hölle: Kapschmuuk. Pein Eppel lief bei dem Gedanken ein kalter Schauer den Rücken herunter und er schüttelte sich ängstlich. Hier war Pein Eppels Problem. Er war gezwungen auszuziehen und sich den Gefahren der Welt zu stellen, um in ihnen das beste aller Enden zu finden. Das stand ihm schließlich seiner Meinung nach mehr als zu. Und hier kreuzten sich die Wege der beiden ungleichen Gefährten.


In einer kargen Felswüste am Rande der Spitzberge kämpfte die strahlende Sternfrucht selbstlos gegen eine angreifende Scharfsherde und rette seinem zukünftigen Schützling so zum ersten Mal das Leben. Selbstverständlich unwissend, dass sich die Ananas wissentlich in diese gefährliche Situation begeben hatte. Starvarius verwechselte die Tatsache, dass Pein sich ohne Gegenwehr auf die Scharfsherde stürzte mit Wehrlosigkeit oder allenfalls Blödheit und wich dem Zyniker fortan nie mehr von der Seite. Seine Motivation war simpel: Die Ananas war schwach und wer sich für einen Helden hielt, der beschützte die Schwachen. Also war es seine Aufgabe ihn zu Gefahren zu bewahren, wo auch immer er konnte. Während Pein anfangs noch jedes erdenkliche Mittel in Anspruch nahm, seinen lästigen Leibwächter wieder loszuwerden, erkannte er später, dass Starvarius für ihn viel mehr war als ein Held. Er war ein Todesmagnet! In seinem Tatendrang zog der abenteuerlustige Kämpfer mehr gefährliche Situationen an, als Pein sie sich jemals erträumt hätte. Während er in seiner einsamen Hütte keinen Fuß vor die Tür gekriegt hatte, zwang ihn sein neuer Begleiter nun förmlich von Abenteuer zu Abenteuer und von einer Gelegenheit ein beeindruckendes Ende zu finden in die andere. Bis zu dem Tag, als Pein Eppels Postkutsche den tollkühnen Tjal zerlegte, hatte Starvarius seinen Begleiter 45 Mal in lebensbedrohliche Situationen gebracht... und jedes Mal unbeschadet wieder daraus befreit. Dummerweise verstand die Sternfrucht ihr Handwerk zu gut, so dass Pein inzwischen die Hoffnung aufgab. Doch auch wenn Starvarius tapfer kämpfte... ein Held, wurde er dadurch nie.


Während Starvarius in einem Anflug von Optimismus versuchte den zermatschten Körper mit Wiederbelebungsversuchen zu retten, ließ sich Pein Eppel auf einem Wiesenfindling nieder und starrte in die endlose Weite des Himmels nach Norden. „Er ist tot! Wir haben ihn umgebracht!“ Tönte Starvarius entsetzt. Den Kopf desinteressiert auf die linke Faust gestützt drehte die Ananas den Kopf zur Seite. „Hat er was Wertvolles dabei?“ Die heroische Sternfrucht konnte die Teilnahmslosigkeit seines Begleiters nicht fassen, versuchte aber aus den Überresten die Identität des Verstorbenen zu ermitteln. Unter den Unterlagen, die Tjal in seinem Rucksack verstaut hatte, befand sich auch das Schreiben Kaiser Gottliebs III. Starvarius überflog es und die Tragik dieses Ereignisses völlig vergessend zogen sich seine Mundwinkel immer weiter zu einem strahlenden Lächeln nach oben. Konnte es das wirklich sein? In all den Reisen mit seinem unmotivierten Gefährten begleitete die Sternfrucht insgeheim unentwegt der Wunsch nach... nach etwas größerem... nach seiner Bestimmung. Hatte das Schicksal ihn endlich auserwählt? Mit einem gespielt pathetischen Unterton, den ihm sein Vater ebenfalls beigebracht hatte, schließlich gehörte das ja bei einem Helden dazu, las er die Botschaft laut vor:


„An die wackeren Recken Süd Salatoniens! Die Welt, die wir so sehr lieben, ist in Gefahr! Im Namen Kaiser Gottliebs III fordere ich alle, die tapferen Gemüses sind, auf, sich auf die Suche nach der Höhle des Schicksals zu begeben! Dort liegt nach der Prophezeiung die Lösung für unsere Rettung vor dem Ende! Ganz gleich aus welchem Volk ihr seid und was eure Beweggründe sind: die Welt braucht euch!

Geht mit dem Segen der Götter, Nostradanuss“


Starvarius faltete das Blatt sorgfältig zusammen und verstaute es in seiner Umhängetasche. Pein Eppel hatte weder zugehört, noch sich von seinem Denkerfelsen erhoben. Die Sternfrucht half ihrem Begleiter wortlos strahlend auf und beugte sich erneut herab, um das glänzende Langschwert des gescheiterten Helden an sich zu nehmen. Eine gefährliche Reise lag nun vor ihnen... das war sie... seine Stunde. Dies war das Abenteuer, auf das er so lange von seinem Vater vorbereitet worden war. Er, Starvarius, musste die Welt retten. Die Ananas nahm mit zunehmender Beunruhigung das Funkeln in den Augen seines Beschützers wahr... und es gefiel ihm gar nicht. Er hatte wieder irgendwas blödes vor... irgendwas heldenhaftes. „Wir suchen die Höhle des Schicksals! Wir retten die Welt!“ rief er motiviert in die Weite hinaus. Die melancholische Ananas stöhnte frustriert und brach sich einen Finger. Starvarius ignorierte die inzwischen selbstverständlich gewordene Geste seines Begleiters und rieb sich grübelnd das Kinn. Wo war eigentlich diese Höhle des Schicksals? Pein spielte mit dem locker hin und her wackelnden Finger und murmelte verzweifelte Flüche. Sein tapferer Begleiter lehnte sich an das Rad der Kutsche zurück und stützte sich auf das glänzende Langschwert während er nachdachte.


„Vergiss nicht dein Versprechen!“ mahnte die Ananas vorwurfsvoll. „Wir müssen nach Norden zum Datteldorf! Jede Ananas, die etwas auf sich hält, wird dort sein!“ Starvarius schüttelte gelassen den Kopf. „Euer Treffen ist in zwei Monaten. Bis dahin haben wir die Welt vier Mal gerettet.“ Pein ließ den Kopf bedrückt hängen. Das klang nicht gut. Er hatte Wochen gebraucht, um Starvarius weiß zu machen, dass es sich bei der Versammlung im Nordosten um eine traditionelle Feierlichkeit seines Volkes handelte und eben nicht um den rituellen Selbstmord, bei dem alle 20 Jahre die halbe Bevölkerung des Dattellandes von den Klingenklippen sprang. Nachdem die Sternfrucht sich mehr und mehr als zu kompetent herausstellte, um ihn in irgendeiner Schlacht sterben zu lassen, hatte er sich diesen Plan B zurecht gelegt. Zwar konnte man als Ananas noch wesentlich angenehmere Stufen des Himmels erreichen, doch er war schon mindestens 15 Jahre älter als eine Ananas in der Regel wurde und in seinem Alter konnte man einfach nicht mehr wählerisch sein.


Inzwischen hatte sich die Sternfrucht durch ihr Reisegepäck gewühlt und ein kleines Handbuch mit der Aufschrift „Die Lokalgelehrten Süd Salatoniens“ herausgekramt und blätterte neugierig darin herum. Skeptisch überflog er die zahlreichen Einträge. Wenn sich so viele Völker auf einem Fleck drängten, war es schon beeindruckend, wie sich die angeblichen Gelehrten und weisen Früchte in einem Landstrich sammelten. Sie mussten einen Kundigen der alten Mythen finden, einen Weisen, der ihnen den Weg weisen konnte „Wir hätten hier den weisen Wurm vom Süd Salatonischen Staatskomposthaufen hinter den östlichen Appellien... den kurios klugen Cucurbiten in den nördlichen Vorwiesen...“ Desinteressiert hob die Ananas lustlos den Kopf und blickte zu ihm. „Was ist denn am nächsten dran?“ Starvarius grinste motiviert, klappte ruckartig das Büchlein zu und hob begeistert die Faust in die Höhe. „Die Lichtung der Weisheit in den Tiefen des Schnackerwaldes. Wenn wir uns beeilen sind wir in weniger als einer Woche dort. Auf geht's!“ Dabei versetzte er seinem Gefährten einen gut gemeinten Ellenbogenstoß in die Seite und grinste ihn motivierend an.


Die nun völlig genervte Ananas verdrehte die Augen und stöhnte voll Unverständnis über den Tatendrang ihres ungewollten Begleiters. „Nicht schon wieder.“ Keuchte sie und noch während die letzten Silben seine Lippen verließen, hatte sich die strahlende Frucht auf die Kutsche geschwungen, seinen depressiven Begleiter am Krautschopf gepackt und auf den Kutschsitz geworfen. „Auf in den Schnackerwald“ prahlte Starvarius majestätisch heraus und schwang das blitzende Schwert. Pein Eppel griff sich so rasch es seine Trägheit zuließ die Zügel und scheuchte die beiden Knogglgox vor sich her. Je früher sie da waren, desto eher konnten sie weiter nach Norden. Stets in der Hoffnung, dass Starvarius es dieses Mal nicht verhindern konnte... wie die 45 Mal zuvor. Zumindest stimmte die Richtung.


All diese Einzelheiten erfuhr ich aus den meist sehr einseitigen, aber informativen Gesprächen der beiden ungleichen Reisenden, während ich es mir auf dem hinteren Teil der Kutsche gemütlich gemacht hatte. Obwohl wir Kampfnickeulen eher eine Seltenheit unter den Völkern Süd Salatoniens darstellen, nimmt man uns doch wie gesagt kaum war... gewisse riesige blaue Vögel ausgenommen...“ Schiel flucht etwas Leises in ihr Gefieder. „Ebenso schienen Pein Eppel und sein Begleiter mich entweder nicht wahrzunehmen oder nicht zu beachten. Der eine, weil er auf sein heldenhaftes Ziel fixiert war, der andere, weil es ihm einfach völlig egal war. So freundete ich mich mit der Rolle des unbeteiligten Erzählers an und versuchte mich während der übrigen Reise im Hintergrund zu halten. Obwohl es theoretisch meine Aufgabe gewesen wäre, einen der anderen Helden aufzusuchen, um dessen Weg zur Höhle des Schicksals zu beobachten, interessierte es mich aus irgendeinem Grund mehr, wie die Reise des depressiven Zynikers und seines selbsternannten Leibwächters weitergehen mochte. Später erfuhr ich, dass alle entsandten Helden auf ähnlich tragische und merkwürdige Weise wie Tjal ihr Ende entweder bereits gefunden hatten oder dies wenig später fanden. So sollte also das Schicksal der Welt tatsächlich in den Händen des unberechenbaren Pein Eppel und dem naiven Idealisten Starvarius liegen.


Lustlos fraßen sich die Räder der alten Holzkutsche durch den staubigen Untergrund der abgelegenen Landstraße und ein weiteres Mal gab Starvarius seinem Schützling einen Stoß, damit dieser nicht während der Fahrt einschlief und aus dem Sitz plumpste. Ihre Reise führte sie durch die endlosen, wunderschönen aber stets gleichen Landschaften von Weite Flur immer weiter nach Osten. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass selbst Schönheit seine Wirksamkeit verlor, wenn man sie nicht in Maßen genoss. Schon vor einigen Stunden hatten sie an einer Weggabelung den Weg nach Osten eingeschlagen und nicht wie zuvor geplant in den Norden des Landes. An eben dieser Kreuzung hatte Pein Eppel, dem unweigerlich wieder seine missliche Lage bewusst wurde, in einem cholerischen Anfall aus heiterem Himmel zwei faustgroße Stücke aus dem Sitzkissen gebissen. Fortan zog die Kutsche eine Spur aus Federn hinter sich her. Diese willkürlichen Anfälle waren die einzige Form von Aktivität, die die faule Ananas aus ihrem routinierten Trott heraus brachten und von einer seelenlosen Hülle mit Ananasfüllung unterschieden.


Mittlerweile waren seit ihrem Aufbruch zwei Tage vergangen und die letzte Spur von Zivilisation lag etliche salatonische Kilometer zurück. Pein zog die Zügel der beiden Knogglgox an und brachte die Kutsche zum Stillstand. „Hier ist Ende. Lass uns umdrehen.“ Mit diesen Worten, in selbstverständlich desinteressiertem Ton, kommentierte Pein Eppel die Tatsache, dass die staubige Landstraße plötzlich in eine endlose Wiese mündete. Weit und breit war kein Anhaltspunkt zu erkennen, wo sie waren oder wohin der Weg sie führte. Fragen konnten sie auch niemanden. Seit guten vier Stunden waren sie keinem Wesen bis auf einem streifenden Schjchu Schjchu Staubsaugervertreter und zwei Zimtschnecken begegnet. Diese sinnierten in angeregter Konversation über die Nahtoderfahrung ihres Vetters nach der Begegnung mit einem herabfallenden Baumstamm. Voller Tatendrang begann Starvarius die Umgebung aussichtslos nach Wegweisern und Hinweisschildern abzusuchen während Pein Eppel im Stehen ein Nickerchen hielt.

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